: Joschka Fischer bringt Tschechien auf Linie
Bei seinem Pragbesuch erinnert der Außenminister Premier Zeman daran, dass die Beitrittskandidaten keine eigene Nahostpolitik machen dürfen
PRAG taz ■ Eine Lektion in EU-Außenpolitik erteilte gestern Außenminister Joschka Fischer dem tschechischen Regierungschef Miloš Zeman. Der Nahost-Friedensprozess werde auch weiterhin von der EU unterstützt und Kandidatenländer wie Tschechien hätten sich der EU-Politik anzuschließen, sagte Fischer und deutete damit Zeman an, dass der nicht persönliche Ansichten vor die gemeinsame EU-Politik stellen sollte.
Eigentlich sollte Fischer sich in Prag darauf konzentrieren, das angeknackste deutsch-tschechische Verhältnis zu kitten und die Weichen für den Besuch Kanzler Schröders im März zu stellen. Der war von deutscher Seite in Zweifel gezogen worden, nachdem Zeman vor knapp einem Monat Sudetendeutsche beschuldigt hatte, die „fünfte Kolonne Hitlers“ gewesen zu sein. Das Prinzip der Kollektivschuld lehne er ab, relativierte Zeman gestern seine Aussagen und sprach sich für eine Entschädigung für sudetendeutsche Antifaschisten aus.
Der Besuch Fischers beendet so zumindest vorerst die Kritik aus EU, der arabischen Welt, Deutschlands und Österreichs an Äußerungen Zemans. Für einen internationalen Skandal hatte dieser erst zu Beginn der Woche während eines zweitägigen Staatsbesuches in Israel gesorgt: Arafat sei vergleichbar mit Hitler, und mit den Palästinensern könnte man ja genauso umgehen wie mit den Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, sagte Zeman in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz. Seine Argumente beruhten auf einer einfachen Logik: Mit Terroristen verhandele man nicht, ob sie nun Adolf Hitler oder Jassir Arafat heißen. Auf die etwas erstaunte Nachfrage seines Interviewers, ob er denn nun den Paalästinenserchef mit Hitler vergleiche, hatte Zeman israelischen Angaben zufolge geantwortet: „Natürlich. Es ist nicht meine Aufgabe, Arafat zu bewerten, aber jeder, der einem Terrorismus zugeneigt ist, der zur Tötung unschuldiger Menschen führt, ist in meinen Augen ein Terrorist.“
Nachdem diese Äußerungen bekannt geworden waren, kritisierte die EU-Kommission erstmals öffentlich einen Ministerpräsidenten eines Beitrittslandes. Das sei nicht die Sprache, die die EU von einem zukünftigen Mitgliedsstaat erwarte, sagte Erweiterungskommissar Günter Verheugen, ansonsten Zeman eher freundlich gesinnt. Zeman habe eine isolierte Haltung in einer empfindlichen Frage gezeigt, rügte Verheugen und erinnerte den Premier an seine Verpflichtungen gegenüber einer gemeinsamen EU-Außenpolitik.
In den Rücken gefallen ist der Premier durch sein Auftreten seinem eigenen Außenminister Jan Kavan. Der bemüht sich nämlich schon seit längerem, Tschechien als Vermittler im israelisch-palästinensischen Konflikt ins Spiel zu bringen. Nun versucht sich Prag in Schadensbegrenzung. Er sei von Haaretz wohl falsch verstanden worden, meinte Zeman ungewohnt kleinlaut. Und auch mit dem Hinweis auf die ungenügenden Englischkenntnisse versuchen Parteifreunde den Premier zu entlasten. ULRIKE BRAUN
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