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Bier, Raketen, Fisch und Schiffe

■ Eine neue Bremer Wirtschaftsmonographie berichtet von „Hidden Champions“ und „Global Players“. Und vom Strukturwandel, den Bremen angeblich geschafft hat. Die Firmen haben die Beiträge selbst bezahlt. Kritische Distanz sucht der Leser vergebens

Vorne drauf sieht man noch einen richtig dicken Pott. Umrahmt von hanseatisch-maritimem dunkelblau glänzt ein Schiff in der Sonne Bremerhavens. Im Inneren der neuen Bremer Wirtschaftsmonographie, die jetzt mit 300 Seiten und vielen Hochglanzbildern auf dem Markt ist, rückt die Wasserwirtschaft dagegen weit nach hinten.

„Das Land Bremen – Perspektiven für das 21. Jahrhundert“ heißt die großformatige Schwarte aus dem Verlag „Kommunikation & Wirtschaft“, die mit Firmenportraits und Beiträgen über neue und alte Wirtschaftszweige der Hansestadt Werbung für selbige macht. Ein „hochwertiges Präsent für auswärtige Gäste“ soll es sein, aber auch ein Schmöker für alle Bremerinnen und Bremer, die ein „gewisses wirtschaftliches Grundinteresse haben“, hofft Matthias Fonger, Geschäftsführer der Bremer Handelskammer. Die Kammern Bremens und Bremerhavens sind neben der Bremer Marketing GmbH Herausgeber der Bremensie (33 Euro). Die Monographie ist „völlig neu“. Das heißt, keiner der vierzig Beiträge ist aus der alten Ausgabe übernommen worden. Sie stammt von 1993, also noch von vor der Vulkan-Krise.

In der Zwischenzeit hat laut Buch eine Wende stattgefunden. „Bremens Wirtschaft hat sich von Monokulturen hin zu einer breiten Dienstleistungslandschaft entwickelt“, sagt Fonger. Die für die einzelnen Kapitel gewählten Überschriften selbst sprechen dazu Bände. Waren die Kapitel im Jahr 1993 noch mit so ergrauten wie soliden Begriffen wie „Industrie, Häfen und Verkehr“ oder auch „Handel und Dienstleistungen“, überschrieben, so tragen die Kapitel heute so schnittige Titel wie „Der innovative Standort – Auf dem Weg zur Technopolis“, „Auch im virtuellen Raum mobil“ oder „Eine Stadt der Klänge“, in English: „The City of Sounds“, denn jeder Artikel ist für die englischsprachigen Präsentempfänger übersetzt worden. Ein langes Kapitel widmet sich dem, was noch 1993 unter „Kultur und Freizeit“ firmierte. Heute heißt dasselbe „Der vitale Standort“ – das Kapitel portraitiert unter anderem die Gastro-Zeile an der Schlachte, Blasinstrumentenhersteller, die Bremer Museen und das Theater. Nicht dabei ist hier das Musical, dafür rangiert der Space-Park in der von den beiden Redakteuren Chrisine Backhaus und Peter Schulz vorgenommenen Gewichtung ganz weit vorne.

Finanziert wurde das Buch unter anderem durch die Firmen, die im Tausch gegen eine ansprechende PR-journalistische Darstellung bezahlt haben. Kritische Distanz wird man also vergeblich suchen. Aber das ist auch nicht der Zweck der Übung. Es geht, frank und frei formuliert, „um die positven Seiten“ der Bremer Wirtschaft. „Das Land hat den Strukturwandel geschafft“, resümiert Fonger, „das Buch gibt das in hervorragender Weise wieder“. Und doch gingen die meisten der Firmen, die hier in Steckbriefen ihr Gründungsjahr, die Anzahl der Mitarbeiter und Produktpalette vorstellen, vor 1993 an den Start – vor der letzten Ausgabe also. Man hätte sie also damals mitaufnehmen können. Hat der Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft demnach nur in den Köpfen stattgefunden? „Sicher ist der Blickwinkel heute weiter geworden“, gibt Fonger zu. Dennoch gebe es ein erkleckliches Wachstum bei der Zahl der Mitarbeiter im Dienstleistungsgewerbe, eine Konsolidierung dieses Sektors also. Auch hätten sich völlig neue Branchen aus der Umwelttechnologie in Bremen angesiedelt. Und auch aus den herkömmlichen Wirtschaftszweigen gibt es Erfolgreiches und Neues zu berichten: „Wir sind der schnellstwachsende Containerhafen zwischen Hamburg und Antwerpen“, sagt Fonger, „und darauf kann man doch stolz sein.“ Elke Heyduck

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