: Der schöne Griff zum Taschentuch
Ist’s feierliche Ergriffenheit oder nur eine Form von Sozialkitsch? Im Studio P. hat man einen Ort für Pathosforschung eingerichtet und zerlegt die tränendrückenden Techniken des Gefühls und sentimentaler Konstruktionen
Und wenn dann nach dem ganzen Gerenne, den panischen Schreien und den endlos dahinflutenden Wassermassen das elendige Schiff endlich untergegangen ist, wenn also von der Titanic kein Zipfelchen mehr zu sehen ist und Kate Winslett engelsgleich durchs Eiswasser treibt, träumend, lebend und in Sicherheit, während sich ihr Kurzzeitlover Leo DiCaprio bereits als Schemen in den Styx eingeschifft hat: Ja, wer da nicht schluchzend zum Taschentuch greift, der kann nur ein Hundsfott sein. Bar aller mächtigen Gefühle. In aller Nüchternheit ist andererseits aber auch ganz interessant zu erfahren, woher wir überhaupt wissen, wann solche Szenen taschentuchtauglich sind. Was uns auf die Tränensäcke drückt, um die großen Gefühle hinauszuschwemmen. Kurz: was es mit dem Pathos auf sich hat. Mit dem „Studio P“ wurde dafür in der Staatsbank „ein Ort der Pathosforschung“ eingerichtet, in dem in monatlichem Turnus Künstler verschiedener Sparten, Theoretiker und Praktiker des Emotionalen darüber diskutieren, an welchen Leerstellen das Bedürfnis nach der feierlichen Ergriffenheit andockt. Und ob Pathos wieder im Trend liegt oder ob es einfach nur Sozialkitsch ist? Die neue Ernsthaftigkeit, after the pop is over? Heute zerlegen der Dirigent Christian von Borries und Christian Kupke, Philosoph und Psychopathologe, die Techniken des Gefühls und der sentimentalen Konstruktionen. Sie machen’s an konkreten Beispielen. Also vorsichtshalber Taschentücher mitbringen.
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