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Öko-Strom aus Scheiße

■ Immer mehr Bauern nutzen die Gülle aus ihrem Stall, um Strom und Wärme zu erzeugen. Gärt es nicht richtig im Bio-Reaktor, gibt es Stunk

Fünf Kubikmeter Gülle täglich – die Rinder von Bauer Wilken Köhler sind nicht gerade zimperlich mit ihren Hinterlassenschaften. Ihren Besitzer am Stadtrand von Bremen stört das nicht. Im Gegenteil: Was andernorts zum Himmel stinkt, sorgt bei Köhler für ein warmes Haus.

Seit fast zehn Jahren schon pumpt der Bauer den Dung in einen Gärbehälter unter seinem Stall. Dort sorgen Bakterien bei angenehmen 35 Grad für kräftige Faulprozesse. Heraus kommt guter Dünger – und jede Menge Gärgas, das zum Heizen dient. Köhler spart so jährlich rund 5.000 Liter Heizöl ein.

Allein in Niedersachsen sind inzwischen rund 200 Landwirte auf den Biogas-Zug aufgesprungen. Im Gegensatz zu Köhler erzeugen sie in richtigen Kraftwerken nicht nur Wärme, sondern auch Strom. Den können sie dank Energie-Einspeise-Gesetz (EEG) für zehn Cent pro Kilowattstunde verkaufen – ein willkommener Nebenverdienst. „Viele Landwirte wollen sich mit der Bio-Energie ein zweites Standbein aufbauen“, weiß Christoph Gers-Grapperhaus von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems.

Nicht immer allerdings rufen die Biogas-Pläne Begeisterung hervor. „Da gibt es zum Teil erheblichen Widerstand der Nachbarn“, sagt Christoph Zimmermann vom Bremer Ingenieur-Büro Utec. Denn der Bio-Reaktor, in dem sich das Gas bildet, ist zwar nach außen luftdicht abgeschlossen. Wenn aber die Gärung nicht gleichmäßig abläuft oder nicht lange genug dauert, ist der Schlamm, der am Ende wieder aus dem Behälter kommt, alles andere als wohlriechend. Zimmermann: „Da kann es schon zu heftigen Geruchsbelastungen kommen.“

Richtig problematisch wird es vor allem, wenn außer Gülle auch noch andere organische Stoffe wie Speisereste und alte Fette aus der Nahrungsmittelindustrie in den Biogas-Reaktor wandern. Die sind bei den Anlagenbetreibern zwar beliebt, weil sie sehr energiereich und zudem noch billig zu bekommen sind. Sie bringen aber bisweilen den Faulprozess durcheinander. „Der Bauer muss schon verstehen, wie dieser Prozess funktioniert, damit er die Anlage richtig bedienen kann“, sagt Zimmermann.

Im Schnitt um die 400.000 Euro muss ein Landwirt heute für eine mittlere Biogas-Anlage auf den Tisch legen. Mit einer elektrischen Leistung zwischen 150 und 200 Kilowatt kann er damit rund 500 Haushalte mit Strom versorgen. Hinzu kommt etwa das Doppelte an Wärmeleistung. Erste Fernwärmeprojekte gibt es bereits: In Hammah bei Stade versorgen zehn Bauern mit einer größeren Gemeinschaftsanlage Schule, Turnhalle und Kindergarten mit Heizung und Warmwasser.

Für einen wahren Biogas-Boom sorgte erst einmal das EEG. Seit seinem Inkrafttreten vor zwei Jahren hat sich die Zahl der Biogasanlagen in Niedersachsen verdoppelt. Mitte letzten Jahres fielen allerdings bisher zusätzlich gewährte Bundes-Fördermittel für die umweltfreudlichen Kraftwerke weg. Gers-Grapperhaus von der Landwirtschaftskammer bekam das ganz praktisch zu spüren. Statt bisher 25 lassen sich seitdem nur noch fünf Landwirte pro Woche bei ihm beraten. Andere Bundesländer hätten den Wegfall der Investitions-Förderung mit eigenen Programmen aufgefangen, sagt der Experte: „Niedersachsen leider nicht.“

Gers-Grapperhaus hat ausgerechnet: Um den Anteil regenerativer Energien in Niedersachsen von derzeit drei auf zwölf Prozent zu erhöhen, wie es die EU plant, müsste man etwa 4.000 zusätzliche Anlagen bauen. Unmöglich? In Niedersachsen gibt es rund 60.000 Bauernhöfe. hoi

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