Ein Führer und ein Störenfried

Der charismatische Jonas Savimbi war jahrzehntelang ein entscheidender Faktor im südlichen Afrika: Als Befreiungskämpfer, als Verbündeter des weißen Südafrika und der USA, als rücksichtsloser Kriegsherr

BRÜSSEL taz ■ Es kann nicht leicht gewesen sein, Savimbi zu töten. 1990 empfing der Rebellenführer die Presse in Mavinga, im südangolanischen Busch, wo seine Unita gerade die so genannte Endoffensive der von Kuba unterstützten Regierungsarmee gestoppt hatte. Umgeben von schwer bewaffneten Männern, absoluter Herrscher über die Savanne um ihn herum, ließ der Rebellenchef es auf nichts ankommen. Auf erbeuteten sowjetischen Lastwagen fuhren seine Unita-Kämpfer durch den Busch und sperrten sogar die Trampelpfade der Elefanten ab.

Seine Bewegungen im Land hielt Savimbi immer am liebsten geheim. Nicht einmal die CIA, die die Unita von 1980 bis 1992 unterstützte und ihr neben Stinger-Luftabwehrraketen die neuesten Satellitentelefone lieferte, hatte die komplette Übersicht über die Kommunikation ihrer Verbündeten. Vor einem Jahr wurde Savimbi schon einmal fast getötet, weil Angolas Militär mit moderner Überwachungstechnologie Savimbis Satellitentelefon geortet hatte. Es musste nur noch seine MiG-Bomber schicken. Die Bomben verfehlten ihr Ziel knapp.

Die Hartnäckigkeit, mit der Angolas Regierung den „Jaguar“ Savimbi jagte, lässt sich nur durch Angst erklären. Angst vor der Redegewandtheit des Politikers Savimbi, der seine Zuhörer in Bann hielt wie kaum ein afrikanischer Führer mit Ausnahme des Zairers Mobutu, ob auf Portugiesisch, Französisch oder Englisch. Angst vor der militärischen Klugheit des Warlords Savimbi, der Kollegen wie Paul Kagame oder Yoweri Museveni mindestens ebenbürtig war. Sie kämpften sich mit der Waffe an die Führung von Ruanda und Uganda – dieser Erfolg blieb Savimbi verwehrt.

Savimbi fühlte sich immer zum Widerständler und zum Führer geboren. Seine Familie war protestantisch, als die katholische Kirche Hauptstütze der portugiesischen Kolonialherrschaft war. 1960 erhielt Savimbi im schweizerischen Lausanne sein Politologiediplom; zwei Jahre später war er schon Außenminister der „Revolutionären Regierung Angolas“ im Exil unter dem damaligen antikolonialen Widerstandsführer Holden Roberto.

Savimbi begnügte sich nicht damit, unter Holden Roberto Nummer zwei zu spielen. Er verhandelte mit Agostinho Neto, Führer der prosowjetischen „Angolanischen Befreiungsbewegung“ (MPLA). Aber der junge Vertreter der Völker des zentralangolanischen Hochlands vertrug sich nicht mit den „Assimilierten“ wie Neto, den von portugiesischer Kultur durchdrungenen Küstenbewohnern. Als Neto ihm keinen Posten anbot, kam es zum Bruch. Savimbi ging für neun Monate nach China und ließ sich die maoistische Ideologie des bäuerlichen Befreiungskrieges erklären. Die Chinesen rieten ihm, in Sambia Basen einzurichten. 1966 gründete Savimbi mit ein paar Freunden im ostangolanischen Muongoi die „Union für die vollständige Unabhängigkeit Angolas“ (Unita).

Die MPLA sagte, Savimbi sei Agent des portugiesischen Geheimdienstes. Als Angola 1975 unabhängig wurde und eine MPLA-Regierung bekam, die Truppen aus Kuba ins Land holte, verbündete sich Savimbi mit dem südafrikanischen Apartheidregime. Und die US-Regierung von Ronald Reagan setzte danach auf Jonas Savimbi als ihren wichtigsten Freund unter den Schwarzen des südlichen Afrika. Savimbi wurde als Held des Kampfes gegen den Kommunismus gefeiert. Reagan schenkte ihm haufenweise Waffen, Treibstoff und militärische Expertise des CIA.

In dieser Zeit genoss Savimbi einen Status, um den ihn viele afrikanische Präsidenten beneiden konnten: roter Teppich im Weißen Haus, Freundschaft des marokkanischen Königshauses, Pilgerreisen der europäischen Rechten in die Unita-Buschhauptstadt Jamba, nahe der namibischen Grenze in der von den Portugiesen „Ende der Welt“ genannten Südostecke Angolas. Beim Siebten Parteitag der Unita in Jamba 1991 traf man auf Walter Kansteiner, heute Afrika-Staatsekretär der US-Regierung; João Soares, Sohn des damaligen portugiesischen Präsidenten; auf Konservative aus Deutschland, Frankreich und Belgien.

Aber die Atmosphäre in den Unita-kontrollierten Gebieten war alles andere als die einer befreiten Zone. Und dass Savimbi 1992 auf den gefälschten Wahlsieg des MPLA-Staatschefs Eduardo dos Santos mit der Rückkehr zum Krieg reagierte, kostete ihn viel internationale Sympathie. In dem Maße, wie die ausländischen Mächte Südafrika und Kuba sich vom Krieg in Angola zurückzogen, wandelte sich Savimbis Image zu dem eines Störenfrieds. Dennoch wussten die meisten erfahrenen Politiker der Region, dass Savimbi nicht zu umgehen war. Und die Unterstützung von großen Teilen der ländlichen Bevölkerung Angolas und der Hochlandbewohner war ihm sicher. Savimbi, einer der letzten Rebellen aus der ersten Generation afrikanischer Freiheitskämpfer, sah sich als eine Art Shaka Zulu, nach dem Führer des Zulu-Widerstands gegen die Weißen in Südafrika hundert Jahre zuvor.

Seinen Widerstand leistete Savimbi ab 1998 nicht mehr nur gegen die MPLA, sondern gegen die ganze Welt. Die UNO verhängte gegen ihn Sanktionen, die noch immer gültig sind. Sein Kampf führte nicht zum Erfolg, sondern zu hunderttausenden Toten und Millionen Vertriebenen. Aber das war nicht sein Werk allein. Die in Angola gebräuchliche Kriegsstrategie der verbrannten Erde wird Savimbi überleben.

FRANÇOIS MISSER