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Abschiebung oder Fahndung

Innenbehörde verschärft Maßnahmen gegen Afrikaner mit unklarem Herkunftsland, um Abschiebequote zu erhöhen  ■ Von Marco Carini

Walter Wellinghausen war mit der Arbeit seines Amtes „sehr zufrieden“. Der Staatsrat der Innenbehörde erläuterte gestern die jüngsten Maßnahmen zur Perfektionierung der Hamburger Abschiebemaschinerie. Im Mittelpunkt: Die sogenannten Sammelinterviews zur Herkunftsfeststellung westafrikanischer Flüchtlinge, die die Innenbehörde in den vergangenen Wochen unter Hochdruck und mit verschärften Sanktionen gegen die Betroffenen durchführen ließ.

Besonders stolz ist Wellinghausen darauf, dass es der Innenbehörde erstmals gelungen ist, Diplomaten aus Burkina Faso dazu zu bewegen, sich an Sammelinterviews zu beteiligen. Immerhin 907 in Hamburg lebende Afrikaner – die meis-ten von ihnen ohne gültigen Ausweis – hätten gegenüber der Ausländerbehörde angegeben, aus dem westafrikanischen Land zu stammen. Da die Botschaft des Landes sich bislang aber geweigert hatte, die Herkunft dieser Personen zu prüfen, war auch die Ausstellung vom Passersatzpapieren nicht möglich gewesen. Doch ohne Papiere keine Abschiebung.

436 Personen, die angaben, aus Burkina Faso zu stammen, wurden nun in Hamburg Ende Januar, Anfang Februar zu den „Interviews“ geladen, durchgeführt von zwei Diplomaten und zwei Mitarbeitern des Innenministeriums von Burkina Faso. Von den 294 erschienenen Personen wurden 38 die Staatsangehörigkeit von Burkina Faso zugestanden, bei 31 Flüchtlingen sind weitere Prüfungen notwendig.

Für die meisten der 142 nicht erschienenen Vorgeladenen hat sich die Innenbehörde etwas ganz Besonderes ausgedacht: Ihre Duldung wurde „nachträglich bis zum Zeitpunkt des Interviewtermins befristet“, so dass sie keine Sozialhilfe mehr erhalten können. Zudem wurden die nicht Erschienenen zur Personenfahndung ausgeschrieben, damit sie jederzeit in Abschiebehaft genommen werden können. Daneben ließ die Ausländerbehörde in den vergangenen Tagen Verhöre von Personen durchführen, die angaben, aus Gambia zu stammen. Von den 35 Vorgeladenen erschienen 16, von denen neun Personen nach Auffassung der Befrager tatsächlich aus Gambia stammen.

Beseelt vom Erfolg der Befragungen plant die Innenbehörde bereits die nächsten Vorladungen: Die 470 bislang nicht vorgeladenen Personen mit der Herkunftsangabe Burkina Faso sollen in den kommenden Wochen ebenso verhört werden, wie Flüchtlinge aus Guinea, Benin und der Elfenbeinküste. Ihnen allen droht: Abschiebung bei Erscheinen, Sozialhilfeentzug und Fahndung bei Fernbleiben.

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