berliner szenen: Wellness für die Füße
Bockwurst im Winter
Als alles eigentlich getan war und die prominenten Dinge des Winters erledigt – Weihnachten, Silvester und die Berlinale –, als man nach perversen Sommeransätzen und täuschenden Vorfrühlingstagen das Gefühl hatte, jetzt könnte das schöne Leben beginnen, war plötzlich der Winter wieder da. Dumm gelaufen für die einzigen Schuhe, die man hatte bzw. für die eiskalte Fußfortsetzung der Person, die in ihnen stand und warme Innensohlen haben wollte. Die teuersten Posten mit „Wellness für die Füße“ aus Wacholder-Zeder, kosteten 12 Euro und fühlten sich ähnlich unpassend an wie die Einlegesohlen aus der Kindheit.
Auf dem Weg in die Markthalle stand „Alle hassen Ramona“ an der Wand und am Imbiss wieder Jonnie, der ein rot entzündetes jungenhaftes Gesicht hat, ungefähr 60 ist und Hausmeister in meinem „Kiez“. Entweder steht er mit seinem Parka im Türeingang und winkt lustig, fast übertrieben, wenn ich mit meinem Fahrrad an ihm vorbeifahre, oder er steht halt am Imbiss, isst Bockwurst und trinkt Bier. Weil auch Jonnie irgendwann aus Schleswig-Holstein nach Berlin kam, sind gewisse Vertrauensvoraussetzungen gegeben.
Meist unterhalten wir uns über Laboe, die Schneekatastrophe von 1978, das Segelschulschiff Gorch Fock sowie Vor- und Nachteile städtebaulicher Modernisierungen in Kiel. Und immer sagt er dann irgendwann seinen lustigen Standardsatz über den Kieler Stadtteil, der oft mit „Kreutzburg“ (David Bowie) verglichen wird: „Gaaaaaaaarden mit acht a. Denn: der Schleswig-Holsteiner zieht ja immer alles in die Länge.“ Auf diesen Satz als Höhepunkt steuern seine Reden immer hin, und er wiederholt diesen Satz, auch zur Imbissfrau gewandt, und wir lachen dann ein bisschen. DETLEF KUHLBRODT
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