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Information oder Propaganda?

Wie sinnvoll ist es, wenn in Dokumentationen über Rechtsextremismus ständig Neonazis in O-Ton zu Wort kommen? Anlässlich eines Arte-Themenabends sprachen wir mit dem Filmemacher Rainer Fromm („Rechts und radikal“, Di., 20.45 Uhr)

Dass die Fernsehberichterstattung über Rechtsextremismus oftmals eine Gratwanderung zwischen Verharmlosung und Aufwertung ist, beweist der Arte-Themenabend „Rechts und radikal – Gefahr für die Demokratie in Deutschland“. In Victor Grandits Dokumentation „… und morgen die ganze Welt“ bekommen zum Beispiel rechtsextreme europäische Führungskader, vom smart wirkenden spanischen Pedro Varela bis zum Hardliner Jürgen Schwaab, ein Forum zur Selbstdarstellung.

In Michael Mandiks Report „Die Erben des Duce“ heißt es hingegen herunterspielend, Berlusconi werde nationalistische Gelüste wohl letztendlich ebenso wenig bedienen wie seine übrigen Wahlversprechen einlösen.

Auch die Filme „Verbieten oder umgarnen“ und „Der schwere Weg raus“ von Rainer Fromm, Jan Peter und Yuri Winterberg müssen sich mit rechtsextremistischen Positionen auseinander setzen. Die taz sprach mit Filmemacher Rainer Fromm.

taz: Ist es nicht problematisch, wenn in einem Beitrag rechtsradikale Führer ständig in O-Ton zu Wort kommen? Wertet man deren faschistoide Gesinnung damit nicht auf?

Rainer Fromm: In den Filmen des Themenabends, bei denen ich mitgewirkt habe, kommen genau aus diesem Grund rechte Führer nur sehr wohldosiert und inhaltlich kontrolliert zu Wort. Da ist jenes Statement von Franz Schönhuber, der sich in der Tat als geistiger Brandstifter betätigt hat. Doch in diesem Zitat ist er nahezu selbstkritisch.

Aber bieten Sie ihm damit nicht eine Plattform, sich als Demokraten darzustellen?

Im Film sagt Schönhuber über seinen öffentlichen Auftritt: „Es mag vielleicht seltsam klingen, aber ich halte das fast für eine erotische Beziehung. Der Beifall ist etwas ungeheuer Gefährliches und Giftiges. Und man neigt dazu: Jetzt setzt man noch einen drauf.“ Damit sagt Schönhuber quasi, dass es eine gegenseitige Beziehung vom Redner zum Publikum gibt. Er putscht auf und wird aufgeputscht. Auch die Applaudierer stehen somit in der Verantwortung. Das ist mir wichtig, denn ein Führer ohne Publikum ist ein zahnloser Tiger.

Wie beurteilen Sie es, dass ein anderer Autor des Themenabends den Führer vom Vlaams Blok, Philip Dewinter, den Rechtsextremisten-Chef Pedro Varela, den deutschnationalen Ideologen Horst Mahler, Jürgen Schwab, den Theoretiker der braunen Kaderschulung „Deutsche Akademie“ vom Sturz der Demokratie schwärmen lässt? Leistet er deren Großmachtfantasien nicht Schützenhilfe?

Sicherlich, die Gratwanderung von dem Medium, das informiert, zu dem Medium, das propagiert, ist gewaltig dünn. Die Grenzen verschwimmen schnell. Man muss solche Leute als Fernsehautor auf jeden Fall deutlich einordnen und anmoderieren. Bei solchen Leuten, wie denen vom Vlaams Blok, ist die Gefahr besonders groß. Für gewöhnlich lässt der Fernsehmacher die Braunhemden marschieren, um die Gefährlichkeit der Gesinnung deutlich zu machen. Sehen die Führer jedoch aus wie du und ich, verstecken ihr Weltbild hinter seriöser Fassade, ist es umso wichtiger, ihnen die Maske herunterzureißen. Das Fernsehen hat sich eine eigene Medienfalle geschaffen, indem es lange Zeit Rechtsextreme auf die Optik reduziert hat. Vom besoffenen Skinhead, der vor der Trinkhalle liegt, distanzieren sich aber auch der Bundesvorstand der „Front Nationale“ oder der „Reps“ gern. Denn dort weiß man: Zombies gewinnen keine Wahlen.

In Ihrer Dokumentation „Verbieten oder umgarnen“ führt der Politologe Hans-Gerd Jaschke durch den Film. Jaschke weist wiederholt darauf hin, dass es Parteifunktionären der CDU/CSU gelungen sei, den rechten Rand spürbar zu dezimieren, indem man bestimmte rassistische Positionen in die eigene Programmatik übernommen habe.

Wir moderieren im Film an, dass wir dies für ein gefährliches Spiel halten. Sicherlich ist wahr: Je mehr Otto Schily auf Law-and-Order macht oder die CDU auf der fremdenfeindlichen Klaviatur spielt, desto weniger Chancen haben rechtsextreme Parteien. Allerdings ist diese Position diskussionswürdig, denn das bedeutet, dass rechtsextreme Inhalte in der gesellschaftlichen Mitte angekommen sind.

Was hat Sie bei Ihren Recherchen besonders beeindruckt?

Mich hat bei den Interviews mit den Aussteigern aus der rechten Szene überrascht, wie leicht offenbar auch intelligente junge Menschen in diese Gewaltszene rutschen, wie normal deren Lebensläufe sind. Wie nah die Scharniere zur gesellschaftlichen Mitte sind. Man trifft diese Leute nicht nur auf dem Exerzierplatz, sondern auch im Blumenladen. Wir dürfen uns nicht in einer falschen Sicherheit wiegen. INTERVIEW: GITTA DÜPERTHAL

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