: Immer Ärger mit der Kasse
Offene Rechnungen in Millionenhöhe: Hamburger Krankenhäuser reichen Massenklagen gegen die Betriebskrankenkasse ein ■ Von Marco Carini
„Das Maß ist voll, wir müssen klagen“, bringt Jürgen Abshoff, Geschäftsführer der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft (HKG), seinen Unmut auf den Punkt. Weil die Hamburger Betriebskrankenkasse (BKK) sich seit Monaten weigert, offene Klinikrechnungen ihrer Versicherten zu zahlen, haben sieben in der HKG zusammengeschlossene Krankenhäuser gestern beim Sozialgericht Hamburg zunächst 84 Klagen eingereicht. Weitere Klagen werden zurzeit vorbereitet.
In den gestern eingereichten Schriftsätzen geht es um unbezahlte Rechnungen in Höhe von rund 750.000 Euro. Insgesamt aber schulde die BKK den Krankenhäusern fast acht Millionen Euro – sämtliche Zahlungsfristen sind bereits verstrichen. Die Kasse weigere sich zu zahlen, weil ihr die Krankenhausaufenthalte ihrer Versicherten unnötig lang erscheinen. Um das nachzuweisen, forderte BKK-Vorstand Herbert Schulz sogar umfassende Einsicht in die Krankenakten. Erst nach intensivem Aktenstudium werde die Kasse eventuell zahlen.
Die Hamburgische Krankenhausgesellschaft aber verweigert eine Herausgabe der Akten an die BKK. Sie verweist darauf, das allein der Medizinische Dienst der Krankenkassen für die Prüfung der Abrechnungen zuständig sei. Doch auch bei den Rechnungen, die der Dienst bereits geprüft und für korrekt befunden hat, verweigert die BKK weiterhin die Zahlung. Da-rüberhinaus warnt auch Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hans-Hermann Schrader vor einer Übermittlung der Krankenakten an die BKK. Diese sei, so Schrader, „grob rechtswidrig“.
Betroffen von dem Rechtsstreit könnten vor allem die behand-lungsbedürftigen BKK-Versicherten sein. HKG-Sprecher Fabian Peterson betont zwar, dass „kein Krankenhaus die Gesundheit eines Patienten aufs Spiel setzen“ und die „Behandlung von Notfällen“ ablehnen werde. Bei weniger dramatischen Erkrankungen allerdings sieht Peterson eine Behandlung nur „in der Regel“ gewährleistet: „Die Ärzte jubeln nicht gerade, wenn sie BKK-Patienten behandeln sollen. Sie wissen, das gibt nur Ärger mit der Kasse.“
Die BKK, Krankenkasse für staatliche Angestellte (90.000 Versicherte) in Hamburg, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufsicht bei Gesundheitssenator Peter Rehaag (Schill-Partei) liegt. Von ihm erwartet die Krankenhausgesellschaft, so ihr Sprecher Peterson, dass er „die Zahlungen sicherstellt“.
Davon aber ist Rehaag, der sich monatelang in dieser Frage wegduckte, weit entfernt. Er ordnete jetzt erst mal eine behördliche „Prüfung des Geschäftsgebahrens“ der Kasse an. Wie lange die dauern wird, vermag Behörden-Sprecher Michael Mrozek nicht zu sagen. Statt zu handeln schiebt Rehaag die Schuld derweil auf seine Vorgänger. Die Kasse, so Rehaag, sei „eines der größeren Probleme, die wir vom alten Senat geerbt haben“.
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