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Teurer ÖPNV

betr.: „Fahrt alle Taxi!“ (Hundert Jahre U-Bahn) von Andreas Knie, taz vom 15. 2. 02

Knie scheint zu ahnen, dass die Masse mit demEnde der Massenproduktion nicht verschwunden ist, sondern auch mit der U-Bahn transportiert werden will: Die Masse ist tot, es lebe die Masse! Deshalb muss Knie eine zusätzliche Erkenntnis aus dem Hut zaubern: „Die gesellschaftliche Entwicklung ist die Geschichte wachsender Privatheit.“ Im Typus des modernen Menschen kreiert Knie unter der Hand eine neue Masse, in dessen Innenleben er sich bestens auszukennen scheint: „Der moderne Mensch möchte für sich sein. Er lebt gern in der Großstadt, aber immer mit dem sicheren Gefühl der Rückzugsmöglichkeit.“ […]

Knies Denken leidet unter vereinfachenden Zuordnungen: gleichförmige Massen benötigen Massenverkehrsmittel, unsichere ängstliche Individuen Individualverkehr. Das heutige Verkehrsgeschehen in solchen erstarrten Relationen abgebildet, erscheint allenfalls als Karikatur. Weil sich Knies Überlegungen nur auf einen Personentypus stützen, kommt er mit einer Lösung aus. Knies Ausführungen offenbaren, dass erst das Wissen über die Existenz einer pluralistischen Gesellschaft ein Denken ermöglicht, das für jeweils ein Problem gleichzeitig mehrere Lösungsmöglichkeiten gestattet. In Knies Denken ist die gesellschaftliche Praxis ausgeschlossen, dass zu einem x-beliebigen Zeitpunkt ganz heterogene Personengruppen ein und dasselbe Verkehrsmittel benutzen. Um dies zu erkennen, muss man zum Denken nicht einmal in der Lage sein, sich nur morgens oder abends in die U-Bahn begeben!

Während man sich mit der Linie 1 oberhalb des zähflüssigen Straßenverkehrs bequem und sicher fortbewegt, kann man häufig den sich stauenden Massenverkehr auf Berliner Straßen bestaunen. Wem die Forderung nach Abschaffung der U-Bahn in einer solchen Situation weiterhelfen soll, bleibt unerfindlich. Ich finde, dass auch das kleinstädtische Denken die Vielfalt des großstädtischen Lebens bereichern kann. Die Träger dieses Bewusstseins sollen sich so durch die Stadt bewegen, wie es ihnen beliebt. Sie sollen aber bitte schön zur Kenntnis nehmen, dass auch noch andere Menschen in dieser Stadt leben und sich bewegen wollen – und dies auch schnell und bequem mit der Berliner U-Bahn.

ULRICH STIRN

Hoffentlich handelt es sich bei Prof. Knies Beitrag um eine Glosse.

Die angegebenen Auslastungszahlen der BVG sind Durchschnittswerte und berücksichtigen sowohl Nachtfahrten als auch Randbezirke. Die Abnahme der Fahrgastzahlen der BVG in den letzten Jahren korreliert nicht so sehr mit der Abwanderung der Schwerindustrie der Vorkriegszeit oder mit den soziologisch bedingten Großstadtbedrängungsgefühlen massenhaft zu IT-Kräften mutierter Schichtarbeiter, als vielmehr mit einer Serie ernsthafter Fahrpreiserhöhungen. Auch wenn die Verstopfung der Innenstadt anderes suggeriert: Es ist eine Minderheit der Berliner, die sich ein eigenes Auto leistet.

Bei Preisen von 56 Euro für eine Monatskarte benutzen die Autobesitzer meist lieber ihr eigenes Fahrzeug. Die anderen, die die 300 Euro monatlich für ein Auto nicht erübrigen können, sind jedoch auf Gedeih und Verderb auf den ungeliebten und teuren ÖPNV angeweisen. […] JOSCHA BACH

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