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Rechtsprechung locker ignoriert

Ausländerbehörde will Frau abschieben, obwohl ein eindeutiges Gerichtsurteil dies untersagt  ■ Von Marco Carini

Rechtsfreier Raum Innenbehörde: Entgegen juristischer Vorschriften und einem verbindlichen Gerichtsurteil hält die Ausländerbehörde eine Afghanin in Abschiebehaft und kündigte die Abschiebung der Frau noch für diese Woche an. Die Anwältin der Betroffenen spricht von einem „offenen Rechtsbruch“ und prüft, ob sie eine Strafanzeige gegen den verantwortlichen Amtsleiter Michael Klahn einleitet.

Die 38-jährige Leyla K. war in der Ausländerbehörde am 20. Februar festgenommen worden, nachdem sie sich geweigert hatte, eine ihr nicht verständliche Einverständniserklärung zu unterschreiben. Das Gespräch mit der nur bruchstückhaft Deutsch sprechenden Frau hatte – unter Ausblendung bindender Verwaltungsvorschriften – ohne Dolmetscher stattgefunden. Fünf Tage später untersagte das Verwaltungsgericht der Ausländerbehörde, die Afghanin abzuschieben, da eine Entscheidung über ihren Antrag noch nicht gefallen sei.

Da die Verhängung von Abschiebehaft nur zulässig ist, wenn eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht, veranlasste der zuständige Sachbearbeiter die Freilassung der Frau. Das entsprechende Fax war schon in der Haftanstalt in der Holstenglacis eingegangen, da intervenierte nach Information der Rechtsanwältin Erna Hepp Ausländerbehördenchef Klahn höchstpersönlich und ordnete die Fortdauer der Haft an. Gegenüber der Mitarbeiterin der kirchlichen Beratungseinrichtung „fluchtpunkt“, Anne Harms, kündigte er zudem an, die Frau trotz des eindeutigen Urteils „noch diese Woche abzuschieben“.

Als einzige Rechtsgrundlage für die Fortdauer der Abschiebehaft nennt die Behörde den Paragraphen 14.4 des Asylverfahrensgesetzes. Doch in diesem steht lediglich, dass ein aus der Haft gestellter Asylantrag einer „Aufrechterhaltung der Abschiebehaft“ nicht entgegensteht. Da Leyla K. ihren Asylantrag bereits vor zwei Jahren nicht aus der Haft heraus gestellt hat, aber geht der Asylparagraph ins Leere.

Für Norbert Smekal, Sprecher der Ausländerbehörde steht der Beschluss des Verwaltungsgerichts „einer Vollsteckung der Haft nicht entgegen“. Smekal: „Wir halten den Beschluss für falsch und gehen davon aus, dass er bald abgeändert werden wird.“ Immerhin kündigte Smekal an, dass die Afghanin nicht abgeschoben wird, bevor ein neuer Gerichtsbeschluss vorliegt.

Für Nabiollah K, den Ehemann der Inhaftierten, ist die „jetzige Situation unerträglich“. Die vier gemeinsamen Kinder „fragen ständig nach ihrer Mutter, sie verstehen nicht, warum sie in Haft genommen wurde“. Das versteht auch Anne Harms nicht: „Alle vier Kinder gehen regelmäßig zur Schule – es ist unsinnig zu behaupten, eine Abschiebehaft sei notwendig, da die Gefahr besteht, die Famillie würde sich einer Abschiebung entziehen, indem sie in die Illegalität abtaucht.“

Ein konkretes Ergebnis hat der Rechtsstreit bereits: Nabiollah K, der in Afghanistan als Arzt gearbeitet hat, verlor vorgestern seinen Job als Reinigungskraft in einem Hotel. Er hatte seine Arbeit nicht antreten können, da er die vier gemeinsamen Kinder betreuen musste.

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