: Kaschubische Kippfigur
■ Buchpremiere ohne Autor: Das Erinnerungsbuch an den Gdansker Dichter Boleslaw Fac ist eine Hommage
„Ja“, sagt Inge Buck und grinst, „so sahen Ankündigungen damals aus.“ Ein grüner, maschinengeschriebener und kopierter Zettel lädt fürs letzte Novemberwochenende des Jahres 1987 zu Lesungen nach Dangast. „Gibt es heute noch Naturlyrik?“, steht da als Frage. Und ganz unten ist vermerkt, dass „aus Gdansk, Polen, als Gast“ auch ein Herr Fac zugegen sein wird. Dieser Fac war Dichter und lebte in Gdansk/Danzig, übersetze Lyrik unter anderem von Günter Grass und machte sich um die deutsch-polnischen Literaturbeziehungen verdient. Um ihn geht es am Sonntag in einer Lesung.
Hört man Wolfgang Schlott und Inge Buck, die gemeinsam mit Konstanze Radziwill gerade ein Erinnerungsbuch mit Texten vom und über den 1929 geborenen Dichter herausgegeben haben, merkt man rasch, dass es sich um eine einnehmende Persönlichkeit gehandelt haben muss. Er hat denen, mit denen er sprach, und noch mehr jenen, mit denen er befreundet war, einiges abverlangt. „Er hatte so eine Art zu sprechen“, sagt Inge Buck, „dieses leicht Ver-rückte ...“ Ständig habe man auf ein Umkippen gefasst sein müssen. Vom Lyrischen ins Politische ins Persönliche und retour.
Schnell wurde aus einer Begegnung „mehr als persönliche Kontaktaufnahme ... Freundschaft eher“. Diese Freundschaften, die sehr herzlich gewesen sein müssen und sehr intensiv, trugen – lange bevor so etwas institutionalisiert wurde – die literarischen Beziehungen der Regionen um Bremen und die nordwestpolnische Partnerstadt.
Und warum Fac? Was war das überhaupt für einer? Im Sommer 1987, erzählt Wolfgang Schlott von der Forschungsstelle Osteuropa an der Bremer Uni, stand er bei uns in der Tür, einfach so und ungefragt dafür mit jeder Menge Dokumente aus der Frühphase der Solidarnosc unter dem Arm. Das war Fac. Einer, der – wie sich später herausstellen sollte – vor allem auch ein eigentümlicher Liebhaber der deutschen Sprache und Literatur war.
Der jüngst erschienene Band besteht neben Texten von Fac auch aus Texten über ihn, die zunächst in der polnischen Literaturzeitschrift Tytu? erschienen waren – und aus Gedichten und Miniaturen derjenigen, die Fac gekannt haben. Kleine, oft sehr persönliche Annäherungen sind es, inspiriert von Begegnungen mit diesem ebenso raumgreifenden wie sympathischen Autor.
Vieles gibt es über Fac zu erzählen. Vielleicht ist gerade deshalb diese fragmentarische, kleinteilige Annäherung in Buchform so gelunge, die auch denen, die ihn nicht kannten, Eingang gewährt in ein vielfältiges und spannendes Dichterleben. Und die nicht zuletzt darum wichtig ist, weil die literarischen Beziehungen Bremens nach West und Ost derzeit unangenehm brach liegen.
In dem Büchlein gibt es Details zu entdecken, wie folgendes: Fac habe Jazzgedichte geschrieben. Jazzgedichte! Eine Art polnischer Charlie Mingus vielleicht. Oder noch weiter zurück: Präbeatlyrik der roaring twenties? „Das Klo auf halber Treppe / zum Laden geht es / die Treppe runter / nach einem Festgelage / pupst es auf jeder Treppenstufe // Draußen trommelt der Frühlingsregen / auf die Blechdächer – / ermuntert die Halbwüchsigen / beim Schreiben von Romanen“. So etwa. Doch nicht immer – so zeigen Inge Buck, Wolfgang Schlott und Konstanze Radziwill ist Fac Ton so groovy.
Tim Schomacker
„Boleslaw Fac (1929 – 2000). Dichter und Vermittler deutsch-polnischer Literatur“ wird am morgigen Sonntag um 11 Uhr in der Stadtwaage, Langenstraße 13, von den HerausgeberInnen vorgestellt. Es erschien in der Edition Temmen und kostet 17 Euro.
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