: Team für ganz Nordirland
Die Eishockeymannschaft der Belfast Giants ist nicht nur erfolgreich, sondern auch das einzige nordirische Sportteam, das protestantische und katholische Zuschauer gleichermaßen begeistert
aus Belfast RALF SOTSCHECK
Achtmal hatten sie in dieser Saison bereits gegen die Ayr Scottish Eagles gespielt, und nie hatten die Belfast Giants verloren. Nun aber, im Finale um den britischen Eishockeypokal, kam es anders. Das Team aus der nordirischen Hauptstadt ging vor heimischem Publikum sang- und klanglos unter – mit 0:5. „Ich habe noch nie eine Mannschaft betreut, die ein Spiel so dominiert hat“, sagte der schottische Trainer Paul Heavey erfreut. Sein Belfaster Kollege Dave Whistle räumte ein, so gut habe Ayr während der gesamten Saison nicht gespielt: „Der Sieg ist völlig verdient.“
Die Belfast Giants, gegründet im September 2000, sind trotz der Niederlage die neueste Attraktion in Nordirland. Dass sie es sind, kam so: Geschäftsführer Bob Zeller hatte in Britannien als Korrespondent für eine kanadische Zeitung gearbeitet. Als die britische Superleague 1996 gegründet wurde, gab er seinen Job auf und bemühte sich, Geldgeber zu finden, um in Belfast eine Mannschaft aufbauen zu können. Die Lizenz bekam er 1999 – für 285.000 Pfund. Sein niederländisch-kanadischer Geschäftspartner Albert Massland investierte weitere zwei Millionen für Spielereinkäufe, und zu Beginn der vorletzten Saison gingen die Belfast Giants erstmals aufs Eis. Zwar verloren sie elf Spiele hintereinander und die Zukunft sah düster aus, doch in der zweiten Saison lief es deutlich besser. Im Januar holten sich die Giants mit großem Vorsprung die Superleague-Meisterschaft.
Voraussetzung für den Erfolg war eine neue Halle, denn anfangs konnten die Giants keine Heimspiele austragen. Die Odyssey Arena in unmittelbarer Nachbarschaft zu jener Werft, auf der einst die „Titanic“ gebaut wurde, ist erst vor 15 Monaten eröffnet worden. Es ist die größte Mehrzweckhalle auf der irischen Insel und fasst bei Eishockyspielen 7.000 Zuschauer. Der Bau hat 91 Millionen Pfund Sterling gekostet, fast die Hälfte davon hat die britische Regierung beigesteuert. Anfangs prophezeite man der Arena ein ähnliches Schicksal wie dem bankrotten Londoner Millennium Dome – und das nicht nur wegen der ähnlichen Kuppelkonstruktion. Doch die Odyssey Arena ist bereits jetzt ein wirtschaftlicher Erfolg, zumal sie keine kulturbedeutsamen Ambitionen hegt, wie der Dome das tat. Es gehe um Geld, sagt Managerin Nicky Dunn. „Wenn wir die Arena für etwas benutzen können, das die Leute anzieht und wir Geld damit verdienen, dann tun wir das auch“, sagt sie.
Am sichersten verdient die Arena mit Eishockey Geld, die Heimspiele der Giants sind stets ausverkauft. „Es ist ja nicht nur Sport“, sagt Dunn, „sondern es ist Unterhaltung für die ganze Familie. Mehr als die Hälfte der Zuschauer sind Frauen. Und es gibt ja nicht so viele Teams in Belfast, die Fans in beiden Bevölkerungsgruppen haben. Die Giants aber sind eine Mannschaft für ganz Nordirland.“
Damit hat die Managerin recht, bei keiner anderen Sportart in dem gespaltenen Nordirland sitzen Katholiken und Protestanten so einträchtig nebeneinander. Die nordirische Fußball-Nationalmannschaft beispielsweise trägt ihre Heimspiele im Windsor Park aus, in den sich trotz des Friedensprozesses noch immer kaum ein Katholik wagt, weil das Stadion inmitten einer protestantischen Terror-Hochburg liegt. Die wenigen katholischen Spieler werden bei Heimspielen gnadenlos ausgepfiffen. Beim Eishockey besteht dieses Problem nicht, weil gar keine Iren mitspielen. Abgesehen von einem US-Amerikaner besteht das Team vom Torwart bis zum Trainer ausschließlich aus Kanadiern.
Es sind Spieler, die es in ihrer Heimat nicht sehr weit gebracht haben. Mike Bales, der Torwart, hat ein einziges Spiel für die Boston Bruins in der NHL absolviert, aber das ist auch schon fast zehn Jahre her. Danach wurde er an sogenannte Farmteams weitergereicht. Auch die meisten anderen Spieler kamen von unbekannten Vereinen wie den Brandon-Weizenkönigen oder den Cleveland-Holzfällern nach Belfast, manche machten vorher in England oder in Deutschland Station. Jason Ruff beispielsweise spielte bei den Frankfurter Lions, Kevin Riehl beim Iserlohner EC.
So ist die Spielqualität im britischen Eishockey nicht sonderlich hoch, denn auch die anderen sechs Vereine in der Ice Hockey Superleague haben sich vor allem bei den nordamerikanischen Farmteams bedient. Die Stockfehler und selbst die schlittschuhläuferischen Unsicherheiten beim Finale am Sonntag waren recht auffällig, doch das tat der Begeisterung auf den Rängen keinen Abbruch. Belfast liebt neuerdings Eishockey, die Atmosphäre ist durchaus nordamerikanisch. Der Ansager peitscht das Publikum ein, die Cheerleader animieren zur mexikanischen Welle, und wenn das Spiel unterbrochen ist, ertönt ohrenbetäubende Musik vom Band. Verhängt der Schiedsrichter eine Zwei-Minuten-Strafe, gibt es auch dazu den passenden Song: „Warum können wir nicht Freunde sein?“
Freunde werden Protestanten und Katholiken in Nordirland wohl nicht so schnell, aber Giants-Kapitän Jeff Hoad sagt: „Wir wissen, dass wir für diese Stadt sehr positiv sind.“ Und Bob Zeller fügt hinzu: „Die Menschen wollen zeigen, dass sie Teil eines neuen Nordirlands sind. Alle können vereint die Belfast Giants unterstützen.“
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