: Ein Technik-Oscar für tausende von Orks
Ohne die Software von zwei Dortmunder Computerexperten wäre „Der Herr der Ringe“ ein Film mit Unterbesetzung
Manchmal ist die Welt schlecht, die reale ebenso wie die Kinowelt. Tatort Mittelerde. Tausende von Orks, Krieger des Bösen, rüsten sich zum Kampf um den Ring, riesige Vogelschwärme dienen den dunklen Mächten als Späher. Das Böse ist immer und überall, und es ist in der Überzahl. Nicht ganz unschuldig an dieser zahlenmäßigen Überlegenheit in Peter Jacksons Film „Der Herr der Ringe“ sind Rolf Schneider und Uwe Sassenberg.
Die beiden Dortmunder Computerexperten haben ein Programm mit dem Namen „3D-Equalizer“ entwickelt, mit dem es möglich ist, tausenden von Orks Masse und Gestalt zu geben. Die Software kann punktgenau Computeranimationen in reale Filmsequenzen einfügen. Am vergangenen Wochenende wurden Schneider und Sassenberg dafür in Los Angeles mit dem Technik-Oscar, dem „Technical Achievment Award“, ausgezeichnet. Das Programm rekonstruiert mit Hilfe des bereits abgedrehten Filmmaterials die Wege der Kamera oder Bewegungen von Personen, und zwar so, dass sie sich im Verhältnis zum Raum richtig einfügen.
Aus zweidimensionalen Bildern werden dreidimensionale Bildsequenzen errechnet, 3-D-Bewegungen werden aufgrund dieser Berechnungen dann in 3-D-Animationspakete transferiert, erklärt Rolf Schneider. Auf diese Weise können Menschen oder Bauten in beliebiger Größe und Anzahl per Computer eingesetzt werden.
Die Verfilmung von Tolkiens „Der Herr der Ringe“ wäre ohne dieses Programm kaum möglich gewesen. Früher mussten einzelne Szenen auf herkömmliche Art – nämlich per Hand – angepasst, werden. Ein Job, für den Retoucheure Tage brauchten, wird nun per Mausklick innerhalb von Minuten erledigt. 3D-Equalizer – ein Glücksfall für den Regisseur Jackson, denn hier kam das Programm mehr als 200-mal zum Einsatz und hat letztendlich nicht nur Zeit, sondern auch enorme Kosten in Form von Komparsen gespart.
In der Filmwelt sind die beiden Computertüftler, die mit ihrer Erfindung eine wirkliche Marktlücke geschlossen haben, schon lange bekannt. Die Software wurde bei mehr als 60 Kinoproduktionen, darunter „Gladiator“, „Oceans Eleven“, „Godzilla“, „Matrix“ und „Eyes Wide Shut“, eingesetzt. Um das Schamgefühl der Amerikaner nicht zu verletzen, stellten Rolf Schneider und Uwe Sassenberg in der US-Fassung von Kubricks Meisterwerk noch ein paar Personen vor die kopulierenden Massen. In Deutschland nutzen 20 Prozent der so genannten Postproduktionsbetriebe die Software, verkauft wird sie weltweit. Millionäre sind die beiden dennoch nicht. Das Programm kostet zwar rund 10.000 Euro, ist aber, wie Rolf Schneider betont, auch wirklich nur für sehr spezielle Effekte anwendbar. Zurzeit arbeiten die beiden an der Möglichkeit, nicht nur Kamerafahrten, sondern auch Bewegungen, Gestik und Mimik der Schauspieler zu rekonstruieren. Wie gut der 3D-Equalizer tatsächlich funktioniert, wird daran deutlich, dass der Zuschauer im Kino so gut wie nie erkennt, wenn ein Film per Computer nachbearbeitet wurde.
Die jetzt vergebene Auszeichnung ist einer der Spezialpreise, die neben den begehrten Oscars verliehen werden. Nur gut, dass die beiden ihren Oscar schon haben, denn vor genau einer Woche haben zwei feministische Künstlerinnengruppen gegen die Vorherrschaft der Männer in Hollywood protestiert und der Oscar-Statue ein „anatomisch korrektes Aussehen“ verpasst. Die normalerweise gut gebaute Goldstatue erhielt die rundlichen Formen eines Mannes im reifen Alter. Aber leider ist der Oscar, den Rolf Schneider und Uwe Sassenberg bekommen haben, eh nur ein Urkunde – und zwar auf Papier. ANGELIKA HOFFMANN
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