Wir müssen mit Pfunden wuchern

Der neue Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, Peer Pasternack (parteilos), will die Massenausbildung sichern. Ein Gespräch über „Kontaktinfektionen“ mit der Wissenschaft, Wertschöpfungsketten und die Unmöglichkeit des Sparens.

Interview SABINE AM ORDE
und ADRIENNE WOLTERSDORF

taz: Was ist eigentlich eine PDS-Wissenschaftspolitik?

Peer Pasternack: Das müssen sie die PDS fragen. Wenn ich mir die Länder mit SPD- und mit PDS-Regierungsbeteiligung ansehe, scheint es durchaus verschiedene rote und ebenso verschiedene rot-rote Wissenschaftspolitiken zu geben.

Und was ist Ihre Vorstellung? Sie sind in eine Stadt gekommen, die so gut wie pleite ist. Was können Sie hier noch kreativ tun außer einpacken?

Berlin hat eine einmalige Dichte an Forschungs- und Hochschuleinrichtungen. Das sind Pfunde, mit denen man wuchern kann. Selbst wenn das eine oder andere davon nicht erhalten werden kann, was ich nicht hoffe, bleibt dieser Dichtebefund bestehen. Wir haben hier etwas, was es ausgesprochen wert ist, verteidigt zu werden.

Was sind dabei ihre Prioritäten?

Erstens: die Sicherung akademischer Massenausbildung. Das verstehe ich positiv, weil somit möglichst viele von der „Kontaktinfektion“ mit der Wissenschaft profitieren, wie Michael Daxner, mein Doktorvater, es formulierte. Zweitens: Massenausbildung durch ein möglichst ausgeprägtes Hochschulangebot anbieten können. Und drittens, ganz platt ökonomisch gesagt: Wertschöpfungsketten in Gang setzen. Das heißt durch die Wissenschaft zum Beispiel neue Unternehmen nach Berlin holen.

Die alte Systemfrage: Gehört zu dem Angebot der Hochschulen mehr Staat oder weniger Staat?

Weniger Staat.

Das ist auch die Linie der CDU.

Also, wenn’s konkret wird, ist die CDU nicht in jedem Falle für weniger Staat.

Heißt für Sie weniger Staat in Hochschuldingen zum Beispiel auch die Einrichtung einer Stiftungsuni?

Ich sehe Hochschule als eine staatliche staatsferne Veranstaltung, die sinnvollerweise staatlicherseits vorgehalten wird, damit insbesondere finanzielle Rahmenbedingungen und Chancengleichheit gesichert werden.

Das heißt, der umstrittene Vorschlag der Union, die Freie Universität umzuwandeln in eine öffentlich-rechtliche Stiftung, erscheint Ihnen nicht sinnvoll?

Damit kann ich nichts anfangen. Nicht weil mir die Idee unsympathisch wäre, sondern weil ich keine Realisierungschancen sehe. Die angedachte Gründung einer Zuwendungsstiftung würde ja zunächst so viel nicht ändern. Das heißt, die Uni würde weiterhin jährlich einen Zuschuss aus dem Landeshaushalt empfangen. Letztlich hat die CDU einfach kein Konzept des Aufbaus einer Vermögensstiftung vorgelegt.

Sie sagen, dass Sie gegenwärtig von morgens um 8 Uhr bis abends um 23 Uhr den Wissenschaftshaushalt sanieren. Wenn Sie sich die Zahlen so intensiv angeguckt haben, wissen Sie sicher, wo noch gespart werden muss.

Das werde ich hier nicht sagen. Aber wir werden nicht darum herumkommen, dass auch die Wissenschaft Einsparungen erbringen muss. Wobei es politische Beschlüsse gibt, dass Bildung und Wissenschaft nur halb so viel werden sparen müssen wie die übrigen Ressorts. Darauf baue ich.

In Ihrem Budget sind überhaupt nur noch 3 Prozent der Mittel frei verfügbar. Das heißt doch, dass Sie die Sparvorgaben des Finanzsenators nur erfüllen, wenn Sie Gesetze brechen?

Es versteht sich ja von selbst, dass man, wenn man kaum ungebundene Mittel hat, 2002 und 2003 nicht allzu viel einsparen kann. Bei uns ist da akut kaum etwas zu machen. Ich gehe aber davon aus, dass der Senat von Berlin nicht rechtswidrig handelt. Ich finde, das ist eine gute Grundlage, um Staatssekretär in einer Regierung zu werden.

Sie betonen stets, dass Sie als Leitbild für Berlin nur das Konzept einer Wissenschafts- und Kulturstadt für realistisch halten. Ist es da kein schlechter Anfang, wenn der rot-rote Senat mit der Schließung eines Universitätsklinikums auf die Bühne tritt?

Ich glaube, es hat schon bessere Anfänge gegeben.

Und wie wollen Sie jetzt die Kurve kriegen?

Alles, was im Koalitionsvertrag steht und was politisch gemacht wird, steht unter einem Vorbehalt: nämlich dass der Haushalt saniert werden soll. Vor diesem Hintergrund muss alles betrachtet werden. Insofern erscheint es mir nicht gänzlich absurd, wenn auch in der Universitätsmedizin gespart wird.

Klug sparen und Schließen sind aber zwei unterschiedliche Sachen. Finden Sie wirklich, dass für Berlin eine Uniklinik reicht?

Das hängt von der Bezugsgröße ab. Wenn man bei der Bettenanzahl berücksichtigt, dass Brandenburg keine Supramaximalversorgung hat, dann brauchen wir die Betten von beiden Kliniken. Auch Studierende haben wir nicht zu viel. Wenn man es sich also leisten kann, sollte man beide Universitätskliniken mit ihren drei Standorten erhalten.

Genau das will Rot-Rot aber nicht tun.

Wie bereits gesagt, der Haushalt muss saniert werden. Deshalb suchen wir nach Einsparpotenzialen. Die gibt es bei der Profilierung der einzelnen Standorte. Genau unter dieser Prämisse hat ja auch die Expertenkommission zu arbeiten angefangen. Die Mitglieder haben die Vorgaben akzeptiert und halten es offensichtlich nicht für gänzlich ausgeschlossen, dass in diesem Rahmen ausreichende Einsparpotenziale entdeckt werden.

Den Vertretern der Wissenschaft hat Rot-Rot zuvor die Pistole auf die Brust gesetzt. Die Kommission war die letzte Möglichkeit, eventuell die Umwandlung des UKBF doch noch zu verhindern. Trotzdem gibt es viele kritische Stimmen, die sagen, die festgeschriebene Einsparsumme von 98 Millionen Euro sei nur mit einer Standortschließung machbar. Sehen Sie eine Alternative?

Wenn ich das adäquat beurteilen könnte, hätte ich mich nicht daran beteiligt, dass wir eine Expertenkommission berufen. Die beruft man ja dann, wenn man externen Sachverstand benötigt …

oder wenn man aufgebrachte Chefärzte und die Springerpresse befrieden will.

Uns geht es darum, Erfahrungen in der Reform der Universitätsmedizin, wie sie in den vergangenen zehn Jahren an vielen Standorten gemacht worden sind, in den Berliner Erfahrungshorizont zu integrieren. Das ist sinnvoll.

Welche dieser Erfahrungen ist Ihnen am sympathischsten?

Meiner Ansicht nach muss die Universitätsmedizin in erster Linie die Lehre und die Forschung absichern; die Krankenversorgung ist nachgeordnet. Sie muss genau in dem Maße, der für Lehre und Forschung notwendig ist, vorhanden sein. Das heißt natürlich auch, dass die Universitätskliniken nicht nur Supramaximalversorgung machen können. Ein Medizinstudent muss ja nicht nur Rückenmark transplantieren, sondern auch einen ausgekugelten Arm behandeln können.

Wäre die Privatisierung des UKBF als Uniklinikum eine Alternative zur Schließung?

Die Expertenkommission prüft alle Optionen, und wir warten das Votum ganz bewusst ohne Zwischenkommentar ab.

Ist es für Sie eine Alternative, dass beide medizinischen Fakultäten bestehen bleiben, aber keine Vollausstattung mehr haben? Dass FU-Studenten einen Teil ihrer Ausbildung also an der Charité absolvieren und umgekehrt?

Wir sehen das nicht negativ als keine Vollausstattung, sondern interpretieren es positiv als Profilierung. Und davon halte ich viel.

Aber wäre dann nicht eine Fusion sinnvoller? Zum Beispiel zu einer medizinischen Hochschule?

Eine medizinische Hochschule ist keine Option. Dafür ist die heutige medizinische Forschung zu eng mit den klassischen Naturwissenschaften verbunden.