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Prima Gegenwart

Das ist es jetzt, das ist es nicht, das ist es …: Die Strokes spielten in Berlin ihre Platte runter und entzückten ihr hippes Leck-mich-am-Arsch-Publikum

Die Band ist dochgut, die müssten nur mal andere Drogen nehmen

von JENNI ZYLKA

Ach, wäre man doch klein an Statur. So einen Meter fünfzig vielleicht. Dann hätte man sich hinter zwei mit Kellogg’s Smacks und Red Bull aufgepäppelte, hochgewachsene 20-Jährige gestellt, ganz in die Nähe der Boxen, und sich die Strokes einfach nur ganz in Ruhe und satt angehört. Die 20-Jährigen wären abgegangen, hätten getanzt, gerockt, den ganzen High-Voltage-New-York-Rock-’n’- Roll simuliert da oben, und die Strokes hätten den Soundtrack dazu geliefert.

Wenn man aber größer ist oder einen besseren Platz in der ausverkauften Berliner Columbiahalle hatte, dann konnte man die Strokes sehen. Dann konnte man sehen, dass die Kids zwar alright sind, aber auch irgendwie lahm professionell. Dass der Sound einem zwar schön das Gehirn durchrüttelt, aber der Sänger auf der Bühne herumfällt wie ein besoffenes Idol. Dass er zwar diese unglaubliche Stimme mitbringt, die sämtliche, albern-eifersüchtige Diebstahlideen in den Wind schießen kann – mag ja sein, dass er an Iggy Pop, Marc Bolan, Lou Reed erinnert, aber er lebt immerhin und klingt jung und vital und sexy und cool. Dass er aber nicht jung und vital und sexy und cool aussieht, sondern genau so, als ob er vorher einschläft. So ein Typ ist das. Und dann erst süße 23. Die Hüften, die in dem fantastischen Video zu dem fantastischen „Last Nite“ noch griffig und appetitlich am Mikroständer lehnten, wirken auf der Bühne babyspeckig. Immerhin ist er kein Junkie, das machen allein schon diese Hüften klar.

Natürlich wussten’s wieder alle vorher: Die sind live eben genau wie auf CD, das hätte ich dir auch eher sagen können. Schon gut, dass eine Band ihre Platte hundertprozentig nachspielt, ist eigentlich prima, wenn die Platte prima ist. Die Platte IST prima, und es macht Spaß, zuzugucken, der zweite Gitarrist hat lustige Löcher an den Jeansknien seiner 80er-Stocher-Beine und trägt einen Button, der Bassist und der Leadgitarrist hämmern ihre Akkorde, diese Midtempo-Stimmungs-Glam-Songs herunter, als ob es kein Morgen gäbe. Nur Julian Casablancas, der Sänger, der Elite-Modelagentur-Chef-Sohn, ja, ja, so etwas muss man sich schon anhören, wenn man es publik macht, der scheint schon seit ein paar Wochen zu schlafen. Nur seine Stimme funktioniert noch.

Wenn man sich Julian so anguckt, macht man sich Sorgen, dass er irgendwann in (noch) ferner Zukunft zu einer Art Marlon Brando mutiert: fett, auch die Leber, und dazu diese smoothe, sonore, sophisticated Stimme, der man die ganze Zeit zuhören will. Vielleicht möchte er sogar wirklich, wie er behauptet, „into your apartment“, aber was will er da schon groß anstellen, sich auf das Sofa vor den Fernseher knallen und das Ben & Jerrys-Eis auffuttern, bevor er komplett wegdöst? Die Columbiahalle scheint das übrigens nicht zu stören, kollektiv übersetzt man in den 50 Minuten CD-Gespiele (plus drei Songs, die nur auf Vinyl oder noch gar nicht heraus sind) Professionalität mit Coolness und Leck-mich-am-Arsch-Publikum mit Hipness und freut sich, dass Julian hin und wieder Dinge wie „Thank you Berlin, are you having a good time?“ herausbringt. Und den schweren Leib in den Pausen, in denen Albert Hammond jr. (dessen Vater übrigens auch so ein Schätzchen ist: Aus seiner Feder stammt „It never rains in Southern California“) und Nick wunderbare Gitarrensoli spielen, einfach auf den Boden ablegt.

Is this it? Wohl kaum. Die Band ist doch gut, die müssten nur mal andere Drogen nehmen. Sollen die sich ein Beispiel nehmen an Stereo Total, „fucking cool people“, wie Julian findet, die bei ihrer süßen 40-Minuten-Vorprogrammshow wieder so viel geben, dass man sich das erste Mal im Leben fragt, ob die je zu alt für diesen ganzen 80er-NDW-Keyboard-Minimalismus-Ich-möchte-immer-16-sein-Scheiß werden. Hoffentlich nicht.

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