: Nettigkeiten allerorten
■ 1:0 gegen Freiburg: St. Pauli wahrt seine letzte Chance im Abstiegskampf. Wegen einer Roten Karte für Ramdame waren die Badener nach der 63. Minute nur noch zu zehnt auf dem Platz
Schon vor dem Spiel wurden zwischen St. Pauli und dem SC Freiburg, den beiden Bundesligaclubs mit linkslastigem Underdogimage, Artigkeiten ausgetauscht. „Baden grüßt den Kiez“, war da auf einem Freiburger Transparent zu lesen und Stadionsprecher Rainer Wulff begrüßte freudig „die zweitbesten Fans der Liga“. Würden nicht beide Clubs bis zum Hals im Abstiegssumpf stecken und jeden Punkt brauchen, man hätte gar nicht anpfeifen sollen. Sich auf Punkteteilung einigen, und dann gemeinsam Alsterwasser und badischen Weißen bechern: Das wäre angemessen gewesen.
Selbst der DFB wollte nett sein. Nachdem St. Pauli in Dortmund von einem Schiedsrichter-Darsteller namens Fröhlich (was haben wir gelacht!) um zwei wertvolle Punkte und Thomas Meggle gebracht worden war, schickte der Fußballverband mit Markus Merk das beste Pferd im deutschen Schiedsrichter-Stall ans Millerntor. „So stellt man sich einen Schiedsrichter vor“, war Pauli-Stürmer Marcel Rath nach Ende der Partie voll des Lobes. Selbst die gelbe Karte, die er von Merk wegen ungebührlicher Widerworte erhielt, sei „hundertprozentig okay gewesen.“
Nett zu den Gästen war zunächst auch das balltretende Personal des FC St. Pauli. Die Gastgeber ließen die Breisgauer in der Anfangsphase ihr gefälliges Kurzpassspiel ungestört aufziehen. Erst nach einer Viertelstunde besannen sich die Braun-Weißen auf ihre Stärken. Mit aggressivem Forechecking schon in der Freiburger Hälfte wurde der Kombinationsfluss der Badener empfindlich gestört. Es begann, was Trainer Dietmar Demuth später als „Geduldsspiel“ bezeichnen sollte: St. Pauli setzte sich in der Hälfte des Gegners fest, kam aber kaum zu klaren Einschussgelegenheiten, da die Freiburger die Räume geschickt eng machten. So resultierten die ersten Chancen aus Standardsituationen und Distanzschüssen: Nach einem Rahn-Freistoß scheiterte Stanislawski nach 30 Minuten aus kurzer Distanz an Freiburgs Keeper Richard Golz, der sich sechs Minuten später nach einem 25-Meter-Kracher von Henning Bürger gaaanz lang machen musste, um den Ball über die Latte zu fingern. In der Schlussminute von Hälfte eins war der ehemalige HSV-Torhüter nach einer Ecke bereits geschlagen, doch Kobiaschwilli kratzte einen Schuss von Patschinski von der Torlinie.
Auch in der zweiten Halbzeit bestimmte St. Pauli das Spiel. In der 57. Minute wurde die Geduld schließlich belohnt: Nico Patschinski drehte sich an der Strafraumgrenze formschön um die eigene Achse und schoss den Ball an Golz vorbei ins lange Eck. Der Frust über den Rückstand muss bei Abder Ramdame tief gesessen haben. Fünf Minuten nach der Führung senste er Jochen Kientz um und bekam dafür zu Recht von Merk den roten Karton. Derart dezimiert brachten die Freiburger wenig zustande. Dass es trotzdem spannend blieb, dafür sorgte St. Pauli selbst. Erst Rath, dann Bajramovic durften alleine aufs Tor zulaufen, doch keiner von beiden brachte das Spielgerät im Kasten unter.
Da die abstiegsgefährdeten Clubs aus Nürnberg, Cottbus und Gladbach patzten, reduzierte sich durch das 1:0 der Abstand zur Nichtabstiegszone für den Kiez-Club von sieben auf vier Punkte. Am kommenden Wochenende soll nun weiterer Boden gutgemacht werden, bei den Cottbussern. Denn die finden St-Pauli-Fans überhaupt nicht nett. Marco Carini
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