Abgebremst: Psychiatriereform virtuell

■ Der Personalrat hält die Auflösung der zentralen Psychiatriestationen auf. Begründung: Die „virtuelle Regionalisierung“ sei überstürzt. Einigungsverfahren blieb erfolglos

Die Regionalisierung der psychiatrischen Versorgung in Bremen ist eigentlich beschlossene Sache. Statt der stationären Behandlung im Zentralkrankenhaus Ost sollen psychisch Kranke künftig in fünf Stadtgebieten betreut werden: ambulant, in Tageskliniken oder auf kleinen Stationen, die für schwer Erkrankte unterhalten werden sollen. Diese Richtung hat der Bremer Senat 1996 festgeschrieben. Doch die Personalräte in Zentralkrankenhaus Ost und Gesundheitsamt haben jetzt die Bremse gezogen. So, wie derzeit umstrukturiert werde, sei für MitarbeiterInnen unerträglich. Ein Schlichtungsgespräch mit der Spitze der Gesundheitsbehörde brachte am Freitag keine Lösung. Nun kommt der Streit vermutlich im April vor die Einigungsstelle. Denn am Nein der Personalräte kommt die Behörde bei einer Organisationsreform nicht vorbei.

„Die rund 300 betroffenen Mitarbeiter im ZKH Ost wissen weder, wo künftig ihr Arbeitsplatz ist, noch was sie dort erwartet“, sagt der Personalratsvertreter im ZKH Ost, Lothar Schröder. Das Personal aus Ost soll künftig auf die Behandlungszentren in den Stadtteilen verteilt werden und dort mit rund 70 Beschäftigten des Sozialpsychiatrischen Dienstes Einheiten bilden. Doch weil es für drei von fünf solcher Behandlungszentren noch keine Gebäude gebe, sollten nun Ost-Klinikbetten den Regionen rein organisatorisch zugeteilt werden. Ebenso die Belegschaften aus den Stationen. Das sei „virtuelle Regionalisierung“ – zumal mangels neuem Dach über dem Kopf drei noch heimatlose Regionalzentren vorerst auf dem Gelände des ZKH Ost bleiben sollen. „Unlogische Strukturen“ sagt Schröder dazu.

Der Grund für die Hast trägt den Namen Professor Peter Kruckenberg. Er ist Chef der Psychiatrie im ZKH Ost. „Die Psychiatriereform ist sein Werk. Das will er jetzt festschrauben“, formuliert Lothar Schröder, was viele Fachleute im eigenen Haus und beim Gesundheitsamt glauben. Denn Kruckenbergs Pensionierung steht in zwei Jahren bevor. Doch mittlerweile deute sich in der Sozialpsychiatrie ein Richtungswechsel an. Die dezentrale Behandlung psychisch Kranker dürfte in einigen Jahren nur noch schwer durchzusetzen sein. Wohl deshalb sollen die Weichen, die eigentlich auf das Jahr 2004 zuliefen, sofort fest gestellt werden.

Tatsächlich haben AssistenzärztInnen des ZKH Ost und des Sozialpsychiatrischen Dienstes in einem offenen Brief Kritik geübt. In kleinen stationären Einheiten müsse ein kleines Team alle möglichen psychiatrischen Erkrankungen behandeln – Schizophrene, Suchtkranke und Depressive. Das gehe auf Kosten von spezialisierter medizinischer Hilfe. Sie fürchten Verschlechterung nicht nur für PatientInnen, sondern auch für sich selbst: Die qualifizierte Facharztausbildung werde erschwert. Die Folgen der provisorischen Strukturveränderung seien nirgends diskutiert worden.

Gesundheitsstaatsrat Arnold Knigge hat Verständnis „für Vorbehalte und Ängste“. Beschäftigte würden „Geschwindigkeit und Schrittfolge“ als Problem empfinden, räumte er ein. „Aber grundsätzlich besteht Einigkeit über die Ziele der Psychiatriereform.“ Die Behörde werde am beschleunigten Verfahren festhalten, das nach einer Gesetzesreform (PsychKG) im letzten Jahr möglich wurde. „Warten bringt keine Verbesserung.“ Zugleich betonte Knigge: „Der Prozess ist finanziert.“ Allerdings müsse man mit den vorhandenen Ressourcen auskommen. Personalrat Schröder schließt: „Dann ist es also nicht finanziert. Bisher gibt es nur Geld für die Behandlungszentren in Nord und Süd.“

ede