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Mobilisierte Zellen

Die deutschen Hockeyspieler holen den WM-Titel gegen Australien, weil sie sich „knochenhart“ vorbereitet haben

KUALA LUMPUR taz ■ 2:1 – zum ersten Mal sicherten sich die Männer von Bernhard Peters den Weltmeistertitel. Bereits eine halbe Minute vor Abpfiff rissen die deutschen Spieler die Arme in die Höhe. Die Männer vom fünften Kontinent wussten schon eine Viertelstunde vor Spielschluss, dass sie dem deutschen Team nichts mehr entgegensetzen konnten. „Auf einmal ging da ein Bruch durch, und bei den Australiern lief nichts mehr. Die waren fertig“, erkannte Kapitän Florian Kunz.

Die deutsche Hockeynationalmannschaft war mit durchaus großen Zielen zur 10. WM nach Kuala Lumpur gereist. „Ich möchte hier Geschichte schreiben“, hatte Kunz, Welthockeyspieler 2001, nach dem gewonnen Halbfinale selbstbewusst verkündet. Die gute Bilanz aus dem vergangenen Jahr (nur zwei verlorene Spiele) hatte einiges versprochen und der Finalgegner Australien stets mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die deutschen Krummstockkünstler: Oftmals scheiterte man im Halbfinale. Dass man davor meist sämtliche Gruppengegner regelrecht an die Wand gespielt hatte, bestätigte die These des Versagens auf hohem Niveau. Oftmals begegneten sich beide Teams nur im kleinen Finale. In Kuala Lumpur traf man nun endlich im großen Finale aufeinander.

Aufgrund der extremen Bedingungen waren gute Bankspieler ausschlaggebend für die Bewältigung von neun Spielen in vierzehn Tagen. Obendrein herrschte am Endspieltag eine drückende Schwüle. Doch obwohl die Australier sich in der Vorrundengruppe schadlos hielten und im Halbfinale den amtierenden Weltmeister Niederlande eindrucksvoll um seine Titelverteidigung brachten, ließen sich die Deutschen von diesem Ergebnis (Australien gewann 4:1) nicht schrecken – und von einem 0:1-Rückstand im Finale erst recht nicht. Troy Elder traf in Minute 31.

Konzentriert und kämpferisch glichen die Männer von Bernhard Peters den Rückstand noch kurz vor der Pause aus. Florian Kunz, der wieder als bester Spieler des Endspiels ausgezeichnet wurde, legte mit seinem Eckenschlenzer (35.) den Grundstein zum Erfolg. „Man hat gesehen, dass wir hier als Sieger vom Platz gehen wollten“, sagte Peters. „In der zweiten Halbzeit haben wir vom Kopf und von den Beinen her sogar noch mal zugelegt.“

Auf die letzte Viertelstunde, in der Deutschland klar dominierte, war in der Vorbereitung besonderes Augenmerk gelegt worden: Die Ausdauer wurde verbessert, in zahlreichen „knochenharten“ (Kunz) Lehrgängen. Belohnt wurde die Mühe durch ein Tor des Rüsselsheimers Oliver Domke, der den Ball in der 65. Minute nach Flanke von Björn Michel auch zur Freude der 200 mitgereisten deutschen Fans über die Linie schlug. Dann wurde in diesem Finalspiel, so der Münchner Christoph Eimer, „jede Zelle des Körpers mobilisiert, um die nicht mehr an den Ball zu lassen.“ Die Freude über den Titel wollte nach Abpfiff gar nicht mehr enden, die Mannschaft tränkte flugs den Rasen im Bukit-Jalil-Stadion ausgelassen mit eisgekühltem Sekt.

Später wurde die Party-Meile in Kuala Lumpur unsicher gemacht. Wie es beim Hockey so üblich ist, geschah dies mit den Gegnern gemeinsam. Dabei trug der frischgekürte Weltmeister bereits T-Shirts mit dem Aufdruck „Weltmeister Kuala Lumpur 2002“, Leibchen, die das mitgereiste Präsidium vor dem Turnier hatte anfertigen lassen. In der neuen Spitze des deutschen Hockeybundes plant man halt akkurat. CLAUDIA KLATT

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