: Das große Ost-Buhlen
Wer keinen Kanzlerbonus hat, braucht wenigstens gute Ideen: Der Wahlkampf um den Osten hat begonnen. Schröder schenkt Autobahnen, Stoiber winkt mit nagelneuen Ausnahmeregelungen
aus Magdeburg ULRIKE HERRMANN
Auch diesen Sinn kann das Wort vom „Kanzlerbonus“ haben: Wer Kanzler ist, kann im Wahlkampf mit Regierungsgeschenken punkten. So war es auch gestern in Magdeburg auf dem ersten Ostparteitag der SPD, der nicht zufällig kurz vor die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 21. April platziert war. Gerhard Schröder also verkündete, dass die A 14 von Magdeburg Richtung Norden verlängert wird – und die Delegierten jubelten.
Ansonsten wird noch die A 72 zwischen Leipzig und Chemnitz sowie die ICE-Strecke von Berlin nach Nürnberg gebaut. Die Delegierten klatschten erneut. Ein Geschenk ging auch an den öffentlichen Dienst: Die Ostgehälter würden bis zum Jahr 2007 auf das Westniveau angehoben. Die Erwerbslosen schließlich sollten sich darüber freuen, dass in diesem Jahr 10 Milliarden Euro für die aktive Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland ausgegeben werden – 1 Milliarde mehr als im letzten Jahr.
Ganz der souveräne Kanzler setzte sich Schröder kaum mit seinem Herausforderer Edmund Stoiber auseinander. Er attackierte ihn nur einmal, dann aber erwartbar: Genüsslich erinnerte der Kanzler an die bayerische Verfassungsklage gegen den „Risikostrukturausgleich“. Er, Schröder, sei gern bereit, diesen Skandal den „Nicht-Experten“ zu erklären: Ohne die Solidarität zwischen den West- und Ostkassen würden die Kassensätze im Osten auf 20 Prozent steigen. Also konnte der Kanzler nur fordern: „Herr Stoiber,nehmen Sie die Klage zurück!“
Dazu ist dieser allerdings nicht bereit. Auf der Sitzung der Präsidien von CDU und CSU in Wörlitz betonte Stoiber an diesem Wochenende, dass sich die Verfassungsklage nicht gegen die Ostländer richte, sondern „nur der Gerechtigkeit“ diene. Außerdem könnte die Klage überflüssig werden, sollte die Bundesregierung ihre Gesundheitspolitik korrigieren. Stoiber kündigte ein Sonderprogramm für den Osten an. Auch durch Ausnahmen von Bundesgesetzen will er Unternehmen in die neuen Länder locken. Privatisierungserlöse, Umschichtungen im Bundesetat und der Konjunkturaufschwung sollen das Programm finanzieren.
1.052 SPD-Delegierte lauschten in Magdeburg ihrem Kanzler, der in Siegerpose auftrat. Von der Kölner Spendenaffäre war offiziell nicht die Rede. Sobald es jedoch inoffiziell wurde, etwa beim Treffen der ostdeutschen Parteivorstände mit Schröder am Samstagabend, dominierte der Korruptionsskandal. „Schröder war sehr nervös“, berichteten Teilnehmer. Da tröstet es doch, dass Manfred Stolpe, Ministerpräsident von Brandenburg, ein großes menschliches Vorbild ehren konnte: In diesem Jahr wird erstmals der Regine-Hildebrandt-Preis vergeben – am 26. November, ihrem Todestag. Dotiert mit 20.000 Euro soll er Menschen würdigen, die sich für Gerechtigkeit und Toleranz einsetzen.
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