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In der Gewalt der Guerilla

Um Kolumbiens Militär zu provozieren, haben die Farc-Rebellen versucht, ein paar Geiseln zu nehmen, darunter einen taz-Korrespondenten. Die Geiseln spielten nicht mit. Die Armee auch nicht

Aus der Nähe von San Vicente INGO MALCHER

Er ist kein Mann der vielen Worte. Seine Haare sind schwarz und krumm geschnitten, seine Zähne gelb und schief, sein rechtes Ohr sieht aus, als hätte jemand versucht, es ihm abzuschneiden. Die AK-47 baumelt an seiner Schulter, an seinem Gürtel hängen ein langes Messer und mehrere Magazine für sein Maschinengewehr. Niemals schaut er seinem Gegenüber in die Augen. „Ihr bleibt hier“, sagt er knapp und schaut sofort wieder weg. Dann grinst er triumphierend.

Es ist zwei Uhr am Nachmittag. Die Sonne brennt. Bis nach San Vicente den Cáguan, der größten Stadt der ehemals neutralen Zone in Kolumbien, sind es nur neun Kilometer. Über 10.000 Regierungssoldaten sollen in der vormaligen Guerillazone stationiert sein. Sie sind machtlos gegen die Guerilla, der immer wieder dort zuschlägt, wo es das Militär nicht erwartet.

Auf der Straße stehen drei Lastwagen quer. Die Fahrer sitzen am Straßenrand unter Bäumen, rauchen pechschwarze Zigaretten und warten. Sie werden bewacht von einem zweiten Guerillero, der noch weniger spricht als der erste. Schon seit sieben Uhr morgens blockieren die „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc) hier die Straße. Auf einer Anhöhe in einem Holzverschlag sitzt der Kommandant, ein dicker Kerl um die 40 mit Schnauzbart und leerem Gesichtsausdruck. Auch er sagt kein Wort. Nur einmal: „Wir halten euch drei bis vier Tage fest“, droht er.

„Ihr bleibt, bis es Blei gibt“, sagt der Mann mit den schiefen Zähnen. Und wieder lacht er. Die Farc wartet darauf, dass das Militär kommt und die Straße freischießt. Ihre Straßensperren sind Fallen für die Armee. Rings um die Straße will der Wortführer fünf Minen gelegt haben, im Gestrüpp lauern 40 Guerilleros.

Über 30 Geiseln haben sie. Die Hälfte davon sind Kleinkinder, dazu mehrere Alte, eine schwangere Frau, Lastwagenfahrer, Bauern, Journalisten. Einer der Lastwagenfahrer zieht seinen Strohhut ins Gesicht und legt sich ins Gras. „Das kann dauern“, sagt er. Er fährt diese Route jeden Tag. Es ist nicht das erste Mal, dass er in die Fänge der Farc gerät. Bislang kam er immer wieder raus.

Von weitem ist das Surren von Flugzeugmotoren zu hören. „Das Militär“, sagt der Lastwagenfahrer. Sollte die Armee kommen, bleibt nicht viel Deckung. Unter den Lastwagen vielleicht.

Eine Großmutter spielt mit ihren fünf Enkelkindern die wirrsten Spiele, damit sie nicht merken, was vorgeht. Sie schüttelt Limonen von einem Baum, sucht Papageien, spielt Theater. Dann kann auch sie nicht mehr. Der Guerillero mit den schiefen Zähnen fragt ihren Enkel: „Kennst du die Guerilla?“ Der Kleine blickt verstört. Dann heult er.

Der Freischärler lacht. Dann erzählt er, wie man Hubschrauber abschießt und warum die Guerilla immer wieder die Armee austrickst. Er prahlt und findet kein Ende. Das Rauschen seines Funkgeräts unterbricht ihn. Er geht einige Schritte zur Seite. Dann befiehlt er: „Alle auf die Pritsche des Lastwagens, wir werden verreisen.“

Keiner folgt ihm. Seine Geiseln bleiben wie gelähmt stehen. Der Guerillero spricht wieder in sein Funkgerät. Neuer Vorschlag: Alle Fahrzeuge bleiben samt Papieren in den Händen der Guerilla, die Geiseln können gehen. Ein Taxi wird gleich konfisziert. Der Fahrer weint. Das Auto ist sein Lebensunterhalt. Aus dem Gebüsch kommen vier Guerilleros. Sie packen Sprengstoff in den Kofferraum und fahren weg. Danach dürfen alle weg – zu Fuß.

Das Militär kam nicht. Am Ortseingang werden sie sagen, dass sie sich nicht weglocken lassen wollten. Neun Kilometer sind es bis nach San Vicente. Es ist viertel nach fünf. Der Fußweg ist anstrengend. Glühend rot versinkt die Sonne hinter den Palmen. An einem Baum hängt ein Schild: „Farc – das Heer des Volkes schützt die Umwelt.“

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