: Die Suche nach Stallgeruch
Der designierte CDU-Chef Christoph Stölzl hat die erste Woche seiner Bewerbungstour hinter sich. Die Parteibasis in Spandau und Neukölln hört von Bürgerlichkeit und behelligt ihn kaum mit Sachfragen
von STEFAN ALBERTI
An der Längswand haben die Buckower Kickers ihren grünweißen Wimpel ausgestellt, gegenüber hängt eine Skatordnung, „Kolonie zur Windmühle“ steht holzgeschnitzt über der Bühne der Gärtnerkneipe. Eine Szene wie gemalt für den erwarteten Kontrast zwischen der CDU-Basis und dem Quereinsteiger Christoph Stölzl, der auf dieser Bühne sitzt und ihr Landeschef werden will. Der Großkulturelle in der Kleingartenanlage, auf seiner Parteitour in Neukölln angekommen. Tatsächlich aber verstehen sich Partei und Kandidat ganz gut an diesem Abend wie auch zwei Tage zuvor in Spandau. Die Basis behandelt ihn höflich-nett, und Stölzl, erst ein Jahr CDU-Mitglied, gibt den Intellektuellen zum Anfassen.
Im Bürgersaal im Spandauer Rathaus, zum Auftakt der Tour durch die CDU-Kreisverbände, hat er sich am Montag noch ein bisschen angebiedert. Von Spandau lernen heißt siegen lernen, dichtete er altes DDR-Spruchgut um. Das sagt er in Neukölln nicht – die haben ja auch bei der Wahl ihren Bezirksbürgermeister verloren. Hier spricht er davon, dass er als Parteichef wie ein Kleingärtner säen und warten werde, bis die Saat aufgeht. Und davon, dass er erst ein paar Jahre den Karren ziehen müsse, bevor er CDU-Stallgeruch bekommt. Ein paar Jahre? Keiner der über hundert Zuhörer im Saal hakt nach – aber bisher hatte Stölzl stets offen gelassen, ob er für länger als ein Jahr zur Verfügung steht.
Überhaupt löchert ihn die Basis nicht gerade mit Fragen. Sechs Wortmeldungen gibt es in Neukölln, inklusive aller Koreferate. In Spandau tagen sie zwar dreieinhalb Stunden, aber es dauert acht Wortmeldungen, bevor einer etwas direkt von Stölzl wissen will. Und auch der fragt nicht zur Berliner Sachpolitik, sondern nach seiner Einstellung zum Staatsnamen „Preußen“. Das Endziel könne es sein, sagte Stölzl, wenn es mit Berlin-Brandenburg klappt, „dann könnte man sich diesen Titel verdienen.“ Kritische Stimmen gibt es fast nicht. Nur einer, der Gatower CDU-Chef Jürgen Vogt, kreidet es dem designierten Landeschef offen an, dass er seine Kandidatur nicht parteiintern, sondern im Fernsehen erklärte.
Der kommissarische Parteichef Joachim Zeller nennt Stölzl in Neukölln die Leitfigur, die sammeln könne, die dem politischen Gegner zeigt, wo der Hammer hängt. Fürs CDU-Interne haut Zeller selbst zu. Es hat Stress gegeben vor dem Auftritt in der Kleingartenanlage. Nichts war mit der Geschlossenheit, die sich Bundeschefin Angela Merkel am Samstag zuvor bei der Fraktionsklausur erbeten hat. Denn die Parteifreunde in Pankow wollen den neuen Landeschef nicht im Mai, sondern schon im April wählen. Querköpfe seien das, sagt Zeller. Die Partei brauche Diskussion, aber nur innerparteilich, nicht über die Medien.
Stölzl sagt dazu nichts, und mit gemeiner Sachpolitik mag ihn an diesen beiden Abenden auch kaum einer behelligen. Dafür ist bei diesen Versammlungen Frank Steffel zuständig, der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, der mit ihm und Zeller durch die Kreisverbände zieht. An ihm scheidet sich das Publikum stärker als an Stölzl. In Spandau hat er fast ein Heimspiel, in Neukölln gibt es ein paar Buhs zur Begrüßung.
Stölzl, der artig, aber ohne Euphorie beklatscht wird, kann sich Visionen für die Partei widmen und tut das, ohne dabei intellektuell zu überfordern. Breit aufstellen solle sich die Partei, ein Haus mit vielen Fenstern sein, getrennt marschieren, vereint schlagen. Tief und ausdauernd greift er in die Sprüchekiste, zitiert platte Weisheiten wie Kästners „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ oder „Klopfet an, so wird euch aufgetan“ zum Basiswunsch nach mehr Mitsprache. Wer so viele Sprüche zitiert, kommt natürlich auch nicht vorbei an John F. Kennedy und seinem „Frag nicht was dein Land für dich tun kann …“
Seine zentrale Botschaft ist die Forderung nach mehr Bürgerlichkeit, mit der die CDU wieder mehrheitsfähig werden soll. Bürgerlich, das soll nichts mit Wohnort oder Steuerklasse zu tun haben. Bürgerlich sei der Arbeiter bei Siemens, der das Wort Leistung in Großbuchstaben schreibt, „der nicht den Strom aus der Steckdose des Sozialstaats zieht“. Bürgerlich sei auch der Student, der reinklotzt, der Beamte, der auch nach Feierabend für die Gesellschaft da ist.
Ein guter Mann sei der Stölzl, sagt am Rande des Spandauer Abends ein Seniorenpolitiker, und es bleibe spannend: „Das bisschen Kultur schüttelt der doch aus dem Ärmel, aber richtig unter Feuer ist er ja noch nicht geraten.“
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