zahl der woche: Prüfungsfirma Andersen versinkt im Enron-Strudel
Willkommener Bankrott
Die Tage der US-Wirtschaftsprüfungsfirma Arthur Andersen sind offenbar gezählt. Da das 89 Jahre alte Unternehmen in den größten Konkurs der USA, den Untergang des Energiekonzerns Enron verwickelt ist, lässt sich kein Konkurrent auftreiben, der Andersen kaufen und aus der Patsche helfen würde. Die Zahl der möglichen Partner beträgt: null.
Diese Woche erst hat die Nummer zwei des Weltmarktes für Consulting und Wirtschaftsprüfung, Deloitte Touche Tohmatsu, erklärt, an Andersen kein Interesse zu haben. Das hat Gründe.
Erstens: Wenn Andersen, heute Nummer fünf der globalen Branchen-Hitliste, aussteigen muss, bleiben nur noch vier Prüfkonzerne übrig. Diese werden die Bilanzen bei nahezu allen wichtigen Unternehmen dieser Erde testieren – und ein größeres Stück vom Kuchen abschneiden. Schon heute machen die vier größten Prüfer PricewaterhouseCoopers, Deloitte, KPMG und Ernst &Young einen Gesamtumsatz von rund 57 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Zweitens: Weder Deloitte noch eine andere Firma, die sich Andersen in den vergangenen Wochen genauer angeguckt hat, will sich die drohenden Schadenersatzforderungen ins Haus holen. Da Andersen die geschönten Bilanzen von Enron für richtig befunden hat und überdies ein Strafverfahren wegen Beweisvernichtung am Hals hat, wollen viele Enron-Aktionäre von der Prüffirma Entschädigungen sehen. Diese können in die Milliarden Dollar gehen. Andersen selbst hat 750 Millionen in einem Vergleich angeboten.
Drittens: Pricewaterhouse, Deloitte & Co. haben Interesse am Untergang von Andersen, weil sie sich sonst selbst reformieren müssten. Und das würde lukrative Einnahmequellen verstopfen. Paul Volcker, ehemals Chef der US-Notenbank Fed und neuerdings mit der Neustrukturierung von Andersen beauftragt, will dort die beiden entscheidenden Geschäftsfelder voneinander trennen. Volckers Argument: Andersens Probleme rühren vornehmlich daher, dass man bei Kunden wie Enron nicht nur die Bilanz testierte, sondern ihnen auch gleichzeitig als Unternehmensberater zur Seite steht – ein Quell unauflöslicher Interessenkonflikte. Geht Andersen in die Binsen, so die Hoffnung der Konkurrenz, kann auch bei ihnen vieles beim Alten bleiben.
HANNES KOCH
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