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Ethnologe auf Frühschicht

Steffen Hallaschka moderiert derzeit das ARD-Mitternachtsmagazin „Polylux“. Und arbeitet früh am Morgen im Radio. Und studiert eigentlich noch. Dennoch ist er eine der wachsten Personen, die momentan in der Medienlandschaft unterwegs sind

aus Potsdam JENNI ZYLKA

Sein Biorhythmus, wenn es so etwas gibt, ist komplett im Eimer. Steffen Hallaschka muss wochenweise um halb vier aufstehen, um die Morgensendung beim ORB-Jugendradio Fritz zu moderieren. Muss mit der S-Bahn aus Berlin-Prenzlauer Berg nach Potsdam brettern, sich dabei möglichst viele Scherze zurechtlegen, die bei der vierstündigen Moderation wie mal eben aus der Hüfte geschossen wirken sollen, und dann auch noch freundlich auf die dümmsten Hörerfragen antworten.

Aber Hallaschka ist erstens die Freundlichkeit in Person. Zweitens kennt er das mit dem verrutschen Biorhythmus noch aus dem Herbst 1999, als er (zusammen mit Wigald Boning) eine kurze Zeit lang die schaurige „Pro7-Morningshow“ moderierte, quasi unbemerkt von der Öffentlichkeit: die Comedy-Sendung wurde nach ein paar Monaten eingestellt, morgens konnte man mit Bonings Späßchen niemanden hinter der Kaffeetasse hervorlocken. Dabei war Hallaschka mit seinem spontanen, schlauen Witz und seiner unverkrampften Chuzpe vor der Kamera der Lichtblick.

Drittens wird das Aus-dem-Bett-Quälen jetzt endlich mal honoriert: Hallaschka hat gestern den Kurt-Magnus-Preis für Hörfunkjournalisten vom HR verliehen bekommen. Und wie es so seine Art ist, schafft er es beim Treffen in einem Café in null Komma nichts, dass man sich von ganzem Herzen mitfreut.

Der Mann funktioniert eben auf mehreren Ebenen: in Natura. Im Radio. Und im Fernsehen. Noch den ganzen März wird er das Magazin „Polylux“ moderieren – Redaktionsleiterin und Moderatorin Tita von Hardenberg kümmert sich um ihr Kind. Danach macht Hallaschka erst mal weiter wie bisher. „Ich bin Moderator geworden, ohne es zu merken“, sagt das Gardemaß von 1,98 Meter. Eigentlich studiert er europäische Ethnologie. Und zwar „ungefähr im 20. Semester“. Was für einen Kasselaner aus einem brav „protestantischen Elternhaus“ fast schon wild ist. Fernsehflausen hat er noch gar nicht so lange im Kopf. Jedenfalls noch nicht so lange, dass er nicht mehr darüber nachdenkt, was es bedeutet, seine Lobbe einem Millionenpublikum hinzuhalten, was es heißt, eine öffentliche Person zu werden, wie viel man von sich zeigen sollte: „Ganz identisch darf das nicht sein, was du gibst“, sagt Hallaschka und kippt noch einen Kaffee in die Herzklappe, damit die nach der anstrengenden Frühschicht weiterarbeitet.

Dazu hat er gerade einen Text in der soeben erschienen Anthologie „Pop und Mythos“ (Edition Argus) geschrieben, über die Verwandlung einer Person in die Kunstfigur eines Fernsehmoderators. Er ist ehrgeizig genug, seine Moderationen „außergewöhnlich statt gewöhnlich“ machen zu wollen, interessiert genug, „für eine 30- Sekunden-Anmod möglichst alles nachzurecherchieren“, und natürlich auch eitel genug. Kein Wunder, bei den Grübchen. Aber er möchte „nicht sein ganzes Leben lang auf diesen Heizdecken-Verkäuferjob angewiesen sein“. Sondern vielleicht irgendwann mal, wenn er vom Jugendradio die Nase voll hat, wenn ihn keiner mehr für gute oder schlechte TV-Shows einkauft, nur noch ins Off gehen und als Journalist arbeiten. Wenn man Hallaschka moderieren hört und sieht, denkt man allerdings, dass über kurz oder lang irgendjemandem auffallen wird, wie telegen, überzeugend und amüsant er die Heizdecken verkauft. Irgendjemandem, der ihn eine oder zwei Ligen nach oben schubst, in eine bessere Sendezeit oder die große Abendunterhaltung. Hoffentlich wächst ihm dann nicht plötzlich das Pilawa-Gottschalk-Gen. Aber mit Glück bleibt er einfach nur gut.

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