Singe, wem Gesang gegeben

■ Bremen hat mit der „Chor-Olympiade“ den welgrößten Gesangswettbewerb an Land gezogen

Singen statt laufen: Nachdem Bremen olympisch gesehen gerade auf Vorrunden zurückgestutzt wurde, kann es sich nun über den Zuschlag für die internationale Cho r-Olympiade freuen.

Immerhin: 120 Millionen Menschen singen weltweit in Chören, 20.000 davon sollen übernächstes Jahr nach Bremen kommen, um zu hören, bei wem's am schönsten klingt. Noch ist diese Idee jung, nach Linz (2000) und Seoul (in diesem Oktober) wird Bremen der dritte Austragungsort des Mammutsingens sein. Sozusagen als Sprungbrett für weiterreichende Ambitionen. Chor-Olympiade-Präsident Günter Titsch: „In einigen Jahren sollen alle, die singen und reisen können, an einer Olympiade teilgenommen haben.“

Bremen wird sich vorerst mit 500 Chören begnügen, die in zwei Schüben zwischen dem 8. und dem 18. Juli 2004 anreisen. Und Gotthilf Fischer, Herr über elf Chöre, kommt der auch? „Damit hätten wir keine Schwierigkeiten“, erklärt Ralf Eisenbeiß, der künstlerische Leiter. Wo doch das chorolympische Credo lautet: „Wir laden alle ein, ganz gleich, auf welchem Kontinent sie beheimatet sind, welche Richtungen sie vertreten und welche künstlerischen Ambitionen sie verfolgen.“

Aber dann wird gesiebt, es geht um Leistung. Eisenbeiß: „Der emotionale Höhepunkt sind in der Tat die Siegerehrungen. Es gibt für uns nichts Schöneres, als wenn unter den Klängen der jeweiligen Nationalhymne die Medaillen vergeben werden.“ In 28 Kategorien von „Gleichstimmiger Jugendchor“ über „Musica Sacra“ bis zu „szenischer Folklore“ (gemeint ist das Einbeziehen von Tanzdarbietungen) können olympische Metalle errungen werden. Also: Es sind durchaus auch hochkarätige Kammerchöre zu erwarten.

Am Beginn einer solchen Veranstaltung allerdings scheint ziemlich viel Blasmusik zu stehen. Zumindest erweckt ein Film über die Eröffnung der Linzer Olympiade diesen Eindruck: Eine Militärkapelle begleitet den Aufzug der Nationen, dann der Einmarsch der Ehrengäste – doch jetzt wird gesungen, denn eine eigene Chorolympiahymne gibt es natürlich auch.

Warum hat Bremen (vor Stuttgart) das Rennen um den weltgrößten Chorwettbewerb gemacht? Professor Eisenbeiß: „Bremen besitzt hervorragende Säle, Hotels und Menschen. Sicher wird es auch schönes Wetter geben.“ Dieser Optimismus mag sich mit dem Sitz der veranstaltenden Vereins „Interkultur“ im sonnigen Pohlheim (Hessen) erklären. Ursprünglich war er zur Förderung des Kulturaustauschs zwischen Ost und West gegründet worden, seit dem Mauerfall organisierte er zunehmend die Musica-Mundi-Gesangswettbewerbe.

Zurück zu Bremens Sälen: „Olympiazentrum“ ist die Stadthalle („wir werden sie zum Klingen bringen“), auch die Bürgerweide („Bremens Plätze werden vor uns nicht sicher sein“), die Glocke und etliche Kirchen werden einbezogen, nicht zuletzt soll in Bremerhaven einiges stattfinden. Nur das Musicaltheater am Richtweg ist nicht erwähnt. Was denkt ein Schelm dabei? Stadthallen-Geschäftsführer Claus Kleyboldt ist auf Nachfrage optimistisch: „Wenn das Haus zu diesem Zeitpunkt zufällig frei sein sollte, kann es selbstverständlich genutzt werden.“

Eine Chorolympiade lohne sich finanziell außerordentlich, so ist zu hören. Den Linzern habe die Olympiade das größte touristische Ereignis ihrer Geschichte beschert, die investierten Zuschüsse seien vervierfacht in Gestalt von Steuermehreinnahmen zurückgeflossen. Die Bremer als gebrannte Kinder kalkulieren deutlich vorsichtiger: Den 2,56 Millionen Euro aus Wirtschaftsfördermitteln stehen prognostizierte Fiskuseinnahmen von 2,9 Millionen gegenüber, gespeist von circa 150.000 zusätzlichen Übernachtungen.

Den Bremer Laienchören werde kein öffentlicher Euro weggenommen, betonen die Veranstalter vorsorglich. Um den hiesigen Sponsorenmarkt hingegen werden sie sich natürlich nachhaltig bemühen, schließlich ist der Gesamthaushalt der Olympiade (7,5 Millionen Euro) weitgehend von wirtschaftlichen Zuwendungen abhängig .

Letzte Frage: Wo kommen all' die Chöre her? Nach Asien ist die Hauptquelle diesmal Europa, nicht zuletzt die „Buserreichbarkeit“ spiele eine Rolle. Das deutsche Kontingent ist begrenzt, auch unter Chinas 300.000 Chören laufen bereits die Ausscheidungswettbewerbe – nur die Bremer sind unlimitiert zugelassen. Überhaupt will man die Bremer Szene „feinfühlig für die Sache begeistern“. Interne Gewinnabsprachen würden allerdings nicht in Aussicht gestellt.

HB

Bewerbungsunterlagen im Netz unter www.musica-mundi.com