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Das Jagdrevier des Psychokillers

Der Jive-Talk der Surf Gangs ist homoerotisch aufgeladen und ihre perfekt gebauten Leiber sind ausgestellt wie in der Fleischtheke eines Supermarkts: „Psycho Beach Party“ von Robert Lee King und Charles Busch liefert dazu das Blut

Aber die Teenies wissen inzwischen mit dem Wenigen mehr anzufangen

von ANDREAS BUSCHE

In einer seiner genialen Surf-Reportagen aus den frühen 60ern hatte Tom Wolfe von protofaschistischen Surfparadiesen geschrieben, aus denen alle Menschen über 25 verstoßen wurden. Die Rituale der „Surf Bums“ waren grausam und archaisch; ihr Jugendlichkeitswahn und Körperfetischismus hatte die südkalifornischen Strände zu hermetischen Zonen arischer Übermenschen mit blonden Haaren, blauen Augen und Riefenstahl-Körpern gemacht. Teenie-Filme wie „Where the Boys are“, „Beach Party“ und später„Endless Summer“ wussten davon nichts zu erzählen, doch als 1978 John Milius Coming of Age-Surf-Film „Tag der Entscheidung“ in die Kinos kam, war der Mythos vom ungebändigten Freiheitsdrang, der perfekten Welle und spiritueller Erleuchtung längst zerstört.

„Psycho Beach Party“ von Robert Lee King und Charles Busch ist mitten in die Hochphase dieses Unschuldverlusts situiert, die Bikinis sind zwar nicht knapper und bunter als in den Originalfilmen aus den Sechzigern, aber die Teenies wissen inzwischen mit dem Wenigen mehr anzufangen. Der Jive-Talk der Surf Gangs ist homoerotisch aufgeladen und ihre perfekt gebauten Leiber sind ausgestellt wie in der Fleischtheke eines Supermarkts. Das Warm up dieser Jungs besteht aus griechisch-römischem Ringergerangel, bei dem die Körper der Surfgötter erst so richtig schön in Zeitlupe umeinander herumflutschen, wenn man etwas Öl dazugibt.

Dass die Teenager bereits vom Baum der Erkenntnis gegessen haben, ist in „Psycho Beach Party“ wichtig. Die südkalifornischen Strände im Zeichen des jugendlichen Unschuldsverlusts sind für einen Psychokiller das perfekte Jagdrevier – man hat schließlich seine Lektion bei Carpenter & Co gelernt. Dieser Killer ist allerdings trotz fleischlicher Askese weniger auf Heavy Petting als auf kleine physische Deformationen fixiert. Seine Opfer sind an diesem Ort der körperlichen Unversehrtheit durch gravierende anatomische Mängel stigmatisiert: Das erste hat eine Hasenscharte, das zweite nur einen Hoden (der ihm zum Abschied in den Mund gestopft wurde), das nächste potenzielle sechs Finger, dazu war es taub. Und während Florence, Bettina, Berdine, Kanaka, Starcat & Co am Strand abhängen und um die Kontrolle über ihre Gefühle und Surfbretter kämpfen, ist Sheriff Monica Stark (Drehbuchautor Charles Busch in atemberaubenden Drag) dem Täter bereits dicht auf der Spur. Seinen Namen hat sie als Anagramm aus einem Autokennzeichen gelesen.

„Psycho Beach Party“ sieht mit seiner campen Ausstattung wie ein typisches Sechzigerjahre-B-Movie zwischen Hershel Gordon Lewis, John Waters und Surf-A-Go-Go aus, hat aber erst vor einem Jahr auf dem Sundance-Festival den Publikumspreis gewonnen. Busch, auf dessen Theaterstück der Film basiert, trifft den Tonfall der alten Beach-Party-Filme ziemlich genau. Obendrein wird in seiner Hommage das alberne Teenager-Getolle auch zu einem veritablen Neurosentheater mit freudianischen Anklängen. Das Pubertätsdrama der Surfer-Existenz ist in dem Urmythos der Surfpopkultur, der Geschichte von „Gidget“, bereits angelegt: Sie handelt von dem verwöhnten Mittelstandsgör, das aus dem bürgerlichen Leben ihrer Eltern ausbricht, um sich einer Bande von „Beach Bums“ anzuschließen und endlich zur weiblichen Surf-Ikone zu werden.

In „Psycho Beach Killer“ greift die jugendliche Verwirrung noch einige Schichten tiefer. Robert Lee Kings „Gidget“ Florence muss erst noch, bevor es zu ihrer eigenen Apotheose kommt, einige Dämonen austreiben, die sie seit ihrer Kindheit mit sich herumschleppt. Der Anblick von wirbelnden Kreisen, die sich im modischen Outfit der Sechzigerjahre bekanntlich überall gefunden haben – und die derzeit das aktuelle Emilio Pucci-Rivival befeuern–, verwandelt sie beizeiten in einen S/M-Vamp mit einem Maul wie eine Ghetto Queen. Die Genese dieses Teenager-Traumas hat eine Dostojewski’sche Qualität, wie ihre Freundin Berdine bemerkt. Überall Blut.

„Psycho Beach Party“. Regie: Robert Lee King. Mit Lauren Ambrose, Thomas Gibson, Nicholas Brendon, Australien/ USA 2000, 95 Min.

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