: Die Angst vor jedem Meter Gleis
■ Castoren durch Hamburg: Robin Wood-Aktivisten stoppten gestern früh dreieinhalb Stunden lang einen Atomtransport
Plötzlich stand der Zug, die Strecke war blockiert. Polizei und Bundesgrenzschutz (BGS) gelang es in der Nacht zu Donnerstag nur unter großem Personal- und Kraftaufwand, dem Atommülltransport aus dem Reaktor Krümmel den Weg durch Hamburgs Osten zu bahnen. Über dreieinhalb Stunden blockierten sechs AktivistInnen der Umeltschutzorganisation Robin Wood den Zug in Bergedorf. Die AtomgegnerInnen hatten sich an die Gleise gekettet und waren auf ein Dreibein geklettert. Laut Polizei wurden bei den Aktionen 37 Personen festgenommen.
Der Zug hatte gegen 1.26 Uhr den Atommeiler bei Geesthacht mit drei umstrittenen Castorbehältern vom „Typ NTL 11“ mit 45 abgebrannten Brennelementen verlassen. Sie waren 1998 nach Falltests wegen akuter Sicherheitsmängel aus dem Verkehr gezogen worden. Seitdem war der „NTL 11“ zwar konstruktionsmäßig verändert worden, allerdings keinen Falltests unterzogen worden. „Die Folgen eines Unfalls wären katastrophal“, so Robin Wood-Energieexpertin Bettina Dannheim. „Bei ungünstigen Wetterverhältnissen würde die Bevölkerung im Radius von zehn Kilometern verstrahlt.“
Ein großes Polizeiaufgebot sicherte in Schleswig-Holstein zunächst die Fahrt, sodass es zu keinen nennenswerten Blockaden kam. Ansammlungen löste die Polizei bereits im Vorfeld auf, gegen 14 Personen verhängte sie präventive Platzverweise oder nahm sie in Gewahrsam. „Zwischenfälle waren erst zu verzeichnen, nachdem der Zug Hamburger Gebiet erreicht hatte“, berichtet der Ratzeburger Polizeisprecher Eckhardt Schröder. Denn zwischen Escheburg und dem Güterbahnhof Bergedorf blo-ckierten gegen 1.50 Uhr zwei Dutzend Personen kurzfristig die Gleise. Wenig später begann die Robin Wood-Aktion. 20 mutmaßliche AktivistInnen hatte der BGS bereits Stunden zuvor präventiv in Gewahrsam genommen.
Trotzdem lag der Überraschungseffekt bei Robin Wood. „Wir haben viele Beamte im Raum eingesetzt, können aber nicht jeden Meter Gleis permanent überwachen“, sagt Polizeisprecherin Christiane Lewen. Erst gegen 5.25 Uhr konnten die Aktivisten von den Schwellen entfernt werden und der Zug wieder rollen, nachdem ein Bagger den Schotter aus dem Gleisbett entfernt hatte und die Schwellen abmontiert worden waren.
Ohne Behinderungen verlief indes zeitgleich der Castor-Transport aus dem AKW Brokdorf zum Rangierbahnhof Maschen, wo beide Züge am Morgen zur Weiterfahrt nach Sellafield zusammengekoppelt wurden.. Magda Schneider
Weiterer Bericht Seite 9
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen