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„Für flächendeckendes Screening ist es noch zu früh“

■ Ulrike Hauffe, Landesfrauenbeauftragte, fordert für die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe ein frauenorientiertes medizinisches Rundumkonzept als Standard

Aus der Sicht von Frauen geht es beim Brustkrebs-Screening um die Fragen: Wie sehr sind Frauen durch Brustkrebs gefährdet? Kann durch Früherkennung die Sterblichkeitsrate verringert werden und ist dieser Indikator geeignet, die komplexe Frage des Nutzens bzw. der Risiken des Screenings zu beantworten? Was kann ein Mammographie-Screening leisten und wo produziert es neue Probleme?

Brustkrebs ist eine schwere Krankheit – aber die missbräuchliche Darstellung von Daten schürt Krebsangst. Nicht genügend bekannt ist, dass etwa 25 bis 30 Prozent aller Frauen Krebszellen in ihrer Brust haben. Doch nur bei rund acht Prozent kommt es zu einer Krebsdiagnose zu Lebzeiten, bei drei Prozent mit tödlichem Ausgang. Das Durchschnittsalter bei Diagnosestellung ist 65,6 Jahre. Jede elfte Frau, die das 80ste Lebensjahr erreicht, muss statistisch mit der Diagnose „Brustkrebs“ rechnen – ohne daran sterben zu müssen. Die Brustkrebssterblichkeit ist seit Mitte der 80er Jahre stabil und sinkt seit 1996 auch in Deutschland. Zehnmal mehr Frauen sterben an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, trotzdem haben Frauen mehr Angst vor Brustkrebs. Sie überschätzen ihr Risiko an Brustkrebs zu erkranken und die Wahrscheinlichkeit, durch Screening den Tod an Brustkrebs zu vermeiden.

Die erwünschten Wirkungen und unerwünschten Belastungen des Brustkrebs-Screenings werden von Wissenschaftlern nach Auswertung internationaler Studien unterschiedlich bewertet – bei identischen Daten. Kritiker bezweifeln, dass Mammographie-Screening Frauenleben in großer Zahl retten kann. Sie befürchten aber, dass bei zehnmal mehr Frauen schon kleinste Zellveränderungen im Brustgewebe entdeckt werden, die sich unter Umständen nie zu einem bösartigen Krebs entwickeln würden – doch für die betroffenen Frauen beginnt damit ein „Leben mit Krebs“. Das hat sich in Ländern mit mammographischer Früherkennung schon bestätigt, so die umfassende Datenanalyse von acht randomisierten Screeningstudien durch die Cochrane Collaboration. Danach ist die Folge von Screening, dass bei 30 Prozent mehr Karzinom-Diagnosen mehr aggressive Therapien durchgeführt wurden. Es gab mehr Mastektomien und bei einigen Untergruppen sogar eine um 30 Prozent erhöhte Mortalität – meist wegen Herzkreiskaufproblemen nach Bestrahlung.

Auch der „Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen“ kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass Früherkennung durch Mammographie als Methode der Todesratensenkung überschätzt werde und der verbesserten Therapie ein höherer Stellenwert zukomme. Er fordert deshalb vor allem eine bessere Versorgung der Brustkrebspatientinnen, weil gerade dort ein besonderes Manko festgestellt wurde.

Auch hat gerade ein Expertenkomitee des National Cancer Institute in den USA den lebensrettenden Sinn von Brustkrebs-Screening in Frage gestellt. In Schweden wird das Programm neu evaluiert. In einer so unklaren Situation ist es bedenklich, in Deutschland das Screening als flächendeckende Reihenuntersuchung einzuführen.

Eine in den Anträgen für die Screening-Projekte vorgesehene Prozessevaluation findet nicht statt. Es istunklar, was erhoben werden soll. Wir haben keine externen, qualitätsgesicherten Zwischenergebnisse aus den Modellprojekten Bremen und Wiesbaden. Stattdessen gibt es Umsetzungsprobleme, die auch auf die falsche Vorstellung zurückgehen, dass Projekte anderer Länder mit hausärztlicher Grundversorgung übertragen werden können auf ein Land mit fachärztlicher Versorgung in der Fläche. Eine Untersuchung des Bremer Instituts für Präventiv- und Sozialmedizin ergibt, dass schon jetzt Bremen, aber auch die Regionen München, Weser-Ems und das Land Schleswig-Holstein in der Altersgruppe der 50- bis 69-jährigen Frauen so viele kleine Tumoren aufweist, wie die aktuellen Krebsregisterdaten aus Holland. Der Sachverständigenrat argumentiert, dass Verbesserungen vor allem über Weiterentwicklungen im therapeutischen, nicht im diagnostischen Bereich erzielt werden können.

Ohne Krebsangst zu schüren, sollen Frauen angeleitet werden, ihren Körper zu beobachten und regelmäßig ihre Brust zu untersuchen. Rund 70 Prozent der Brusttumoren werden von Frauen selbst ertastet. Die Erweiterung dieser subjektiven Körperkompetenz sollte wesentliches Ziel im Gesundheitswesen sein. Das Angebot von Mammographie im Screening-Verfahren allein segmentiert einen komplexen Diagnosevorgang, der die (psychosomatische) Anamnese, die persönliche und professionelle Tastuntersuchung, die Mammographie und die Sonographie umfassen muss.

Unabhängig von Brustkrebs-Screening-Projekten, die sich nur auf eine ausgesuchte Altersgruppe gesunder Frauen beziehen, müssen verbindlich hohe Qualitätskriterien in allen Früherkennungs- und Behandlungsverfahren sichergestellt sein. Gewebeentnahmen, Operation, Nachsorgebehandlung und Rehabilitation sollten unter psychologischer Begleitung der behandelten Frau erfolgen. Auch müssen transparente, effektive Qualitätssicherungsmaßnahmen für sich ergänzende Brustkrebsfrüherkennungsmaßnahmen etabliert werden, die alle Frauen verstehen können.

Es muss im Fall eines begründeten Verdachts auf Erkrankung der Brust medizinische Behandlungen sowie Nachsorge und Rehabilitation auf hohem Niveau flächendeckend für alle Frauen Standard werden.

Wir benötigen ein Gesamtversorgungskonzept, von der Prävention bis hin zur Rehabilitation, das ineinander greift und bei dem die Förderung der Selbstkompetenz von Frauen eine wichtige Rolle spielt.

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