: Echter Filz, wahre Skillz
Keine ganz gewöhnliche Toygroup: Die Puppetmastaz halten alle Fäden selbst in der Hand. Die Plüschfiguren machen HipHop, geben Shows, und einen Plattenvertrag haben sie auch
von ANDREAS HARTMANN
In Island leben die Menschen schon länger im trauten Nebeneinander mit Elfen. Wir hier in Berlin dagegen sollten uns langsam an ein Zusammenleben mit Puppen gewöhnen. Denn die haben es langsam satt, als lediglich menschenfaustgesteuerte Anhängsel oder an durchsichtigen Fäden hängende Wichtelmänner ohne eigenen Willen wahrgenommen zu werden.
Eine achtzehnköpfige Horde von Puppen unter Führung des Maulwurfs Dr. Maloke probt nun verstärkt den Aufstand. Sie nennen sich Puppetmastaz, machen HipHop, geben regelmäßig Shows – vor kurzem waren sie gar für ein Gastspiel in London –, haben bereits einen Plattenvertrag und dazu genug Selbstvertrauen, nicht mehr allein die Menschen für sich sprechen zu lassen. Diese werden nur mehr als Schatten bezeichnet, ohne die man zwar – Schlemihl lässt grüßen – nicht leben kann, die sich aber gefälligst dezent zurückhalten sollen.
So laden die Puppen auch zum Interview. Die Schatten haben dann Pause, und Fragen an oder über sie sind strengstens verboten. Schließlich sieht man ja auch sie bei den Puppetmastaz-Shows, die Frösche, Schweine und Hasen, die allesamt mit leicht entstellten Physiognomien ausgestattet sind, und keine Menschen. Sie, die Puppen, sind es, die ihre Mäuler gewaltig zu den Raps aufreißen und wenn Schweiß fließt, dann in Form ihrer Filzfusseln.
Es gibt bereits ähnliche Phänomene wie die Puppetmastaz. Großes Vorbild der Truppe ist natürlich die Muppetshow, da sind sich alle einig. Auch Peter Jackson, der Regisseur der „Herr der Ringe“-Trilogie, bestritt mit den „Feebles“ einen ganzen Film, in dem ausschließlich Puppen bei der Vorbereitung einer Show beobachtet wurden und dabei – Jackson war damals noch der König des Splatterfilms – jede Menge Puppenblut verspritzen mussten. Das größte Vorbild der Puppetmastaz ist jedoch Flat Eric, dieses gelbe Frotteegetier aus dem Werbeclip einer großen Jeansfirma, dessen Klone eine Zeit lang die Spielwarenläden bevölkerten. Flat Eric hatte globalen Erfolg und machte gute Musik. Nur über seine Chancen bei den Frauen weiß man nichts. Snuggles, ein Hase mit vorlauter Klappe, behauptet dagegen, bei den Frauen bestens anzukommen.
Flat Eric ist eh längst vergessen, die Puppetmastaz dagegen auf dem Weg steil nach oben. Bei ihren Shows, die bisher noch ausschließlich von Menschen besucht werden, kann es das Publikum kaum fassen, wie gut ein HipHop-Puppentheater funktionieren kann: Das Macho-Genre schlechthin im kindergartenfreundlichen Bühnenformat, das klingt erst mal absurd. Doch auf den zweiten Blick erinnert der weltweite HipHop mit seinen Codes, seinen Sexismus- und Diss-Peinlichkeiten ja durchaus manchmal an Kasperltheater. Somit sollte man die ruhig auch mal dämlichen Sprüche der Puppetmastaz als ironischen Seitenhieb auf eben dieses Kasperltheater verstehen. Unsere Puppen sind in dieser Hinsicht eben auch nur Menschen.
Die Plüschfratzen bewegen ihre Frosch- oder Schweinsgesichter im Takt der Beats, beschimpfen sich gegenseitig in bester HipHop-Battle-Tradition und schmeißen auch mal ihre Beine über den Bühnenrand, damit alle sehen können: Ja, wir sind ganze Kerle.
Die Puppetmastaz sind die perfekte Parodie auf das Gewese im HipHop, und dass bei einer Gruppe wie der 3. Generation auch nicht alles echt ist, persiflieren die Puppetmastaz, indem sie sich selbst die erste „Toygroup“ der Welt nennen, eine Toygroup des „Creature-Funk“.
Die Puppetmastaz wissen, dass sie sich als Puppen, als noch weitgehend unverdorbene Spezies, vor den Fehlern, die sie während den Recherchen im Reich der Menschen feststellen, in Acht nehmen müssen. Panik Da Pig, die Sau, kennt die Gefahren, die bei den Menschen lauern, Eitelkeit etwa: „Wir hängen so viel mit Menschen ab, dass wir langsam schon selbst eitel werden.“
Die Welt der Puppen soll aber eine bessere bleiben. All das, was die Puppetmastaz in ihren Shows verhandeln, auch in ihrem letzten großen Weihnachtsprogramm „XXX-Calibur“, worin das Fest der Liebe grobschlächtig mit den Attentaten in New York und der Lage in Afghanistan zusammengebracht wurde, ohne dass HipHop zu kurz kam, ist die Spiegelung einer Menschenwelt, deren Mechanismen die Puppen eigentlich nicht verstehen und die sie sich für ihre Lebensentwürfe möglichst nicht zu Eigen machen wollen.
Irgendwann tritt in einer Puppetmastaz-Show Elvis auf, als Puppe, die klar machen möchte, dass Elvis zwar der King, aber auch nur ein Mensch war, und das haben viele Menschen ja immer noch nicht so ganz verstanden. Die Puppetmastaz sind somit durchaus didaktisch motivierte Puppen, von denen wir Menschen noch einiges über uns lernen können.
Die Puppetmastaz spielen am Sa, 23. 3. ab 22 Uhr im Blauen Salon des Tacheles, Oranienburger Str. 54–56, Mitte
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