: „Ein sehr angenehmer Zustand“
Abwarten und Putz klopfen: Auch nach ihrem Soloalbum „Only Love“ mag sich Jasmin Tabatabai nicht so recht festlegen lassen. Neben Filmrollen und Demo-Hymnen für Steineschmeißer gibt es sie demnächst vielleicht auch als Wagner-Walküre
von ARNO FRANK
In der Kreuzberger Oranienstraße, wo am 1. Mai – Rock ’n’ Roll! – traditionell die Pflastersteine fliegen, dort hat Jasmin Tabatabai kürzlich einen Loft gemietet. Nach hinten raus, versteht sich. Alte Fabriketage, roter Backstein. Räume so luftig, dass man fast darin Tennis spielen könnte. Oder Stahlträger zu postmodernen Skulpturen schweißen. Oder eine Rockband auftreten lassen, komplett mit Marshall-Verstärkern und Krempel. Tatsächlich und eigentlich lebt Frau Tabatabai in einem bewohnbaren Aufnahmestudio: „Champagner? Habe ich vorhin kalt gestellt!“
Hinter dicken Wänden gibt es keine Nachbarn, die sich über die laute Musik beschweren könnten. Das heißt: Gerade liegt die Decke als blättriges weißes Pulver auf dem Boden. „Die Handwerker“, entschuldigt sich Frau Tabatabai, als sie mit den Gläsern zurückkommt, „das ist beim Streichen alles runtergekommen.“ Plastikplanen überspannen den Flur, das Sofa, die offene Küche. Zierlich ist sie und barfuß und wirkt in der riesigen Wohnung noch zerbrechlicher. Klimpert mit dem Schlüsselbund: „Eigentlich ist das hier meine Festung“, sagt sie, denn die stählerne Fabriktür und die Gegensprechanlage schützen vor Stalkern – besessenen Fans, die ihr nachsteigen, vor allem Frauen.
All das ist gekommen, seit sie die spröde Bankräuberin Luna im Kinofilm „Bandits“ spielte, für dessen Soundtrack sie den Großteil der Songs beigesteuert hat. Obwohl die anderen Damen in Tabatabais voriger Band, „Even Cowgirls Get The Blues“, schlecht auf ihre ehemalige Frontfrau zu sprechen sind. Ideen soll sie „mitgenommen“ und auf „Bandits“ verbraten haben. Davon mag sie wiederum nichts wissen: „Bis dahin habe ich nur draufgezahlt. Mit ‚Bandits‘ habe ich das erste Mal mit Musik Geld verdient.“ Dass kaum jemand von ihrem Songwriting Notiz genommen hatte, obschon der Soundtrack zu „Bandits“ 1997 die Goldene Schallplatte einfuhr, damit hat Tabatabai ihren Frieden gemacht.
Ist sie nun Musikerin oder Schauspielerin? Sagen wir’s mal so: Um eine erklärte Demo-Hymne mit Texten wie „Pick up a stone, take care about your bones“ ohne Augenzwinkern zum Vortrag zu bringen, muss man schon eine gute Schauspielerin sein. Jetzt, mit ihrem ersten Soloalbum „Only Love“, dürfte alles noch viel schlimmer werden – oder eindeutiger? An der Orgel hilft Helmut Zerlett aus der „Harald Schmidt Show“ aus, am Schlagzeug sitzt der zeitweilige Nick-Cave-Drummer Thomas Wydler. „Songs Around A Minor“ war lange der programmatische Arbeitstitel des Albums – bis im Sommer 2001 das US-Soulsternchen Alicia Keys ihre Platte „Songs In A Minor“ nannte.
Die Produktion des Albums ist ganz bewusst ungeschliffen. „Damit die Songs für sich selbst sprechen“, wie sie sagt. Damit niemand auf die Idee kommt, hier wären mal wieder einer hübschen Schauspielerin schnell ein paar hübsche Songs auf den Leib geschrieben worden. Das besorgt sie lieber selbst, komponiert auf der Gitarre, schreibt die Texte. „Englisch, weil die Sprache einfach universeller und schöner zu singen ist. Und weil meine Lieblingsmusik auch auf Englisch ist. Aber ich werde das in letzter Zeit so oft gefragt, dass ich es mit der nächsten Platte vielleicht mal auf Deutsch versuche.“ Dabei hätte sie eine noch schönere, exotischere Alternative im Repertoire: persisch.
Geboren ist Jasmin in Teheran, in eine wohlhabende Großfamilie mit iranischem Vater und bayerischer Mutter. Mit Sommerferien im Chalet am Kaspischen Meer, Winterferien im Elburs-Gebirge nördlich der Hauptstadt. „Und manchmal auch nach Deutschland, Konsumland“, wie sie sagt, in die Heimat der Mutter, zum Einkaufen. Ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, „eine wunderschöne Kindheit“, wie sie sagt.
1979 war Schluss, da wurde die Koksnase Schah Reza Pahlewi vom Pfauenthron geschubst. „Mein Vater wusste, was kommen würde“, sagt sie: Mit der Rückkehr des Ayatollah Chomenei gingen die Tabatabais ins Exil, nach Krailing bei München. „Ein Alptraum“, dieser Sprung ins kalte Wasser. Und was sie als junges Mädchen an der wohlgemerkt bayerischen Schule an Ressentiments kassierte, das teilte sie, nach eigenen Worten, mit einer entsprechend großen Klappe wieder aus. Und einem Selbstbewusstsein, mit dem man es einfach auf die Leinwand schaffen muss.
Musikerin oder Schauspielerin? In „Bandits“ ist sie beides, und selbst in der Literaturverfilmung „Gripsholm“ singt Tabatabai Texte von Tucholsky, arrangiert zu Chansons. Das Leben der bei einem Autounfall verunglückten Sängerin Alexandra würde sie gerne verfilmen: „Ich versuche schon seit Jahren, die Leute in der Filmbranche von dem Projekt zu überzeugen – mit mir in der Hauptrolle.“
Ihr geschmeidig bestimmter Habitus abonniert sie im Film eigentlich auf toughe, burschikose Rollen. Auf Platte kann sie tun und lassen, was sie will: „Ein sehr, sehr angenehmer Zustand.“ Nun geht es für Jasmin Tabatabai dann doch wieder auf die Bühne, wo jeder Song ein neues Stück ist. Außerdem sei, so heißt es, der Regisseur Dieter Wedel an Tabatabai interessiert. Für dessen Aufführung auf den Nibelungenfestspielen in Worms, mit Jasmin als Brunhilde, die Hagen zum Mord an Siegfried anstiftet. Ihre Gegenspielerin Kriemhild ist eine alte Freundin: Heike Makatsch.
Kaum eine Rolle, in der Tabatabai ohne Zigarette zu sehen ist. Vorbei, seit einiger Zeit raucht sie nicht mehr. Nicht um vor der Tournee ihre Stimme zu schonen, „sondern weil ich mir gesagt habe: Du bist jetzt 34, überlege dir, wie du in zehn Jahren aussehen willst. Und dann habe ich mir gedacht …“ Sie vollendet den Satz mit dem verächtlichen Wegschnippen einer imaginären Kippe. Ganz Rock ’n’ Roll.
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