: Netter Zuhörer aus der großen Stadt
■ Vorsichtiges Nachfragen: Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vorm rechten Club 88 in Neumünster
Für den Abend hatte die Betreiberin des Nazizentrums Club 88 in Neumünster ein Konzert angemeldet. Während des Besuches des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) am gestrigen Nachmitag in der gegenüberliegenden Grund- und Hauptschule im Stadtteil Gadeland marschierten die Neonazis um Peter Borchert indes nicht auf. Ganz in Ruhe diskutierte der Bundespräsident im Rahmen seiner Norddeutschlandtour gegen „Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Gewalt“ in der Aula mit VertreterInnen der Schulbehörde, Elternvertretung, Lehrerschaft und antirassistischen Initiativen. Thierse versteckte sich jedoch nicht hinter Floskeln. „Bitte berichten sie mir von ihren Erfahrungen“, bat er stattdessen. Neben positiven Berichten von Gabriela Christiansen, „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“, die eine regelmäßigen Austausch zwischen den SchülerInnen der Schule und Kindern des nahegelegenen Flüchtlingsheim durchführen, hörte Thierse auch negative Anmerkungen. Peter Seeger, Verein „Toleranz und Zivilcourage“ mahnte an, dass sie über ein Jahr auf die finanzielle Hilfe der Bundesregierung warten mussten. „Mit dem schnellen Eingreifen und Handeln, wie die Politker fordern“, so Seeger, „ginge dieser Umgang nicht zusammen“. Ein Problem welches Thierse einräumte. An die „Grenzen des Möglichen für die Schulen“ erinnerte Sven Schröder von „Viva Courage“, als er auf die rassistichen Ressentiments in dem Stadtteil hinwies. „Die Kinder wiederholen, was sie zu Hause hören“, berichtet ebenso eine Neumünsteraner Hauptschullehrerin.
In dem SchülerInnengespräch fragte Thierse die SchülerInnen der fünften bis achten Klasse nach ihren Erfahrungen mit AusländerInnen. „Zuerst traute ich mich nicht, was zu sagen“, betonte eine Schülerin aber, „er war ganz nett“. So sagten einige dann auch, dass sie Angst vor AusländerInnen hätten. „Wir müssen diese Aussagen ernstnehmen“, betonte Thierse, „nur so können wir das Entstehen von Vorurteilen abbauen .“ Andreas Speit
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