: Billionenklage wegen Sklaverei
Mit einer Sammelklage im Namen von 35 Millionen US-amerikanischen Schwarzen versuchen US-Anwälte, Reparationen für 246 Jahre Sklaverei zu erstreiten. Die Schadenssumme könnte sich nach Schätzungen auf 1,6 Billionen Euro belaufen
von BERND PICKERT
Nun ist es so weit: Die US-amerikanische Justiz muss sich mit Reparationsforderungen schwarzer Kläger für das zu Zeiten der Sklaverei erlittene Unrecht ihrer Vorfahren auseinander setzen. Am Dienstag haben mehrere New Yorker Anwälte, darunter der für die jüdischen Sammelklagen gegen deutsche Firmen bekannte Ed Fagan, vor einem Bundesgericht in Brooklyn eine Sammelklage im Namen aller schwarzen Nachkommen der in die Vereinigten Staaten verschleppten Sklaven erhoben – rund 35 Millionen Menschen. Verklagt werden zunächst drei Firmen, denen vorgeworfen wird, in der Vergangenheit von Sklavenarbeit oder -handel profitiert zu haben. Weitere hundert Firmen sollen demnächst benannt werden.
Die zunächst ausgewählten drei beklagten Firmen zeigen das Spektrum der zu erwartenden weiteren Klagen auf: Die Versicherungsgruppe Aetna, größter US-Lebensversicherungskonzern, hatte bei ihrer Gründung 1850 auch Sklaven versichert; im Falle von Tod oder Flucht der Sklaven war die Summe an den Besitzer auszuzahlen. Hier hat die beklagte Firma selbst von der Sklaverei profitiert. Der Finanzdienst FleetBoston wird als Nachfolger der Providence Bank genannt, die 1791 von John Brown gegründet wurde, einem Geschäftsmann aus Rhode Island, der als Sklavenhändler und Besitzer mehrerer Sklavenschiffe sein Vermögen begründet hatte.
Das dritte beklagte Unternehmen schließlich, die Bahngesellschaft CSX, wurde erst 1980 gegründet, ohne eigene mit der Sklaverei verbundene Rechtsvorgänger. In diesem Fall, so die Kläger, begründen sich die Reparationsforderungen auf der Tatsache, dass der Eisenbahnbau in den USA zu weiten Teilen durch Sklavenarbeit erfolgte, wovon die CSX bis heute profitiere.
Eine konkrete Schadenssumme wird in der 20-seitigen Klageschrift nicht genannt – es obliege dem Gericht, diese festzulegen. Schätzungen zufolge könnte am Ende eine Schadensersatzforderung von umgerechnet rund 1,6 Billionen Euro stehen.
Ob die Klage angenommen wird, ist noch offen. Seit Jahren haben Schwarzenverbände und Anwälte die Fälle vorbereitet – auch die öffentliche Diskussion darüber ist bereits vorangeschritten. Während die Mehrheit der weißen US-AmerikanerInnen (90 Prozent) staatliche Entschädigungszahlungen an Schwarze ablehnt, ist eine Mehrheit der Schwarzen (55 Prozent) dafür.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen