: Mit Kanonen auf Spatzen
Der Anwalt Peter Brasche verteidigt Sprayer und sammelt legale Arbeiten. Allmählich hat er eine ganze Kollektion
taz: Herr Brasche, wieviel Bilder von Graffitikünstlern haben Sie inzwischen?
Peter Brasche: Etwa 40 bis 50 Arbeiten. Einige Stars, die längst aus der Szene raus sind, sind darunter.
Sprayer sind meist sehr jung. Wie geht der Staat gegen sie vor?
In der Regel wird wegen jeder Sprühaktion Anklage gegen die Jugendlichen erhoben, und das ist dann immer Chefsache. In Berlin wird also durch Oberstaatsanwälte oder Gruppenleiter angeklagt.
Das klingt nach überzogenener Staatsgewalt.
Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Die Begehrlichkeiten gehen sogar noch dahin, das zu verschärfen und Graffiti als Straftatsbestand im Strafgesetzbuch zu verankern.
Was bedeutet das?
Bisher muss jeweils eine Substanzverletzung an der Sache nachgewiesen werden. Nach den neuen Plänen würde ein Besprühen allein schon den Straftatbestand erfüllen, auch wenn sich die Farbe rückstandslos entfernen lässt.
Wird beim strafrechtlichen Umgang mit Graffiti ein Exempel statuiert?
Ja. Indem da Härte gezeigt wird, kann demonstriert werden, dass man sich gegen Kriminalität zur Wehr setzt und auch scharf durchgreift. Aber Graffiti ist ein Phänomen, mit dem man vor allem in Metropolen leben muss und das man mit einem Verbot nicht aus der Welt schafft.
Also Straffreiheit?
Das ist nicht realistisch.
Was ist realistisch?
Es ist relativ selten, dass Leute in flagranti erwischt werden. Die Polizei sammelt deshalb, was an Graffitis auftaucht, und versucht in einer Art Puzzlespiel diesen oder jenen Tag-Namen diesem oder jenem Sprayer zuzuordnen. Indizien sind das, die auf dem Grundgedanken aufbauen, dass ein Tag-Name immer nur zwingend von einer Person benutzt wird. Das ist aber Unsinn. Es gibt in der Zwischenzeit ganze Datenbanken über Doppelbelegungen von Namen.
Welche Alternativen schlagen Sie vor?
Es wäre sicherlich auch im Interesse des Landes, nicht jeden Unsinn anzuklagen, sondern sich auf die Verfahren mit überzeugender Beweislage zu beschränken. Es sind doch auch finanzielle und zeitliche Ressourcen, die hier verschwendet werden.
Was will der Sprayer?
Es geht um Respekt, um Lebensgefühl und bei illegalen Aktionen sicher auch um Adrenalin um den Thrill des Verbotenen. Das ist aber immer die Sicht eines Außenstehenden.
Gefällt ihnen Grafitti?
Kommt darauf an. Es gibt legale Flächen, wo die Writer auch mal was entwickeln. Das gefällt mir meist sehr gut. Aber wenn nur getaggt wird, ist das nicht nach meinem Geschmack. Andererseits habe ich nie verstanden, warum ein Namenszug auf einer Brandmauer deren Zustand verschlimmert.
Haben Sie schon mal eine Sprühdose in der Hand gehabt?
Ja klar, vor Gericht bei der Begutachtung von Beweismaterial.
INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB
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