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Hochschulen an der Leine

Hamburgs Hochschul-Präsidenten sollen der Wissenschaftsbehörde Persilschein ausstellen. Egal, was ein externes Gutachten empfiehlt, sie müssen es vertreten  ■ Von Kaija Kutter

Eine katastrophale Haushaltslage ist auch für manches gut. Hamburgs Wissenschaftssenator Jörg Dräger nutzt sie, um im Turbo-Tempo die Hochschullandschaft umzukrempeln. Bis zum 25. April sollen die sechs Hamburger Hochschulpräsidenten ihre Zustimmung zu einem „Letter of Intent“ (LOI) geben, der sie auf ungewöhnliche Weise festlegt. Sie sollen unterschreiben, dass sie die für November erwarteten Empfehlungen einer externen Gutachterkomission an ihren Hochschulen „vertreten“, egal wie diese aussehen. So steht es in Paragraf 5 des Vertrags-Entwurfs, der der taz vorliegt.

Im Gegenzug verpflichten sich Bürgermeister und Wissenschaftssenator, den Hochschulen „auf dem Niveau des Haushaltes 2002“ eine Planungssicherheit bis 2005 zu gewähren. Golnar Sepehrnia von der Juso-Hochschulgruppe nennt das „Erpressung“: „Wenn dieses Papier nicht unterschrieben wird, drohen weitere Sparauflagen.“ Dabei umfasse der Gutachterauftrag wichtige Entscheidungen wie Fachbereichsauflösungen, die nicht an den demokratischen Greminen vorbei „im Geheimen verhandelt“ werden dürften.

Die externe Kommission soll im Mai ihre Arbeit aufnehmen und hat sechs Monate Zeit, eine komplett neue Hochschulstruktur zu entwerfen, die kostenneutral die Unterausstattung einzelner Bereiche beseitigt und die Hochschulen „optimal“ auf den „nationalen und internationalen Bildungswettbewerb“ vorbereitet, wie es in der Absichtserklärung heißt. Dafür darf es auch zu einem Abbau von Studienplätzen und Umschichtungen zwischen den sechs Hochschulstandorten kommen. Insbesondere sollen Vorschläge zur „hochschulübergreifenden Entwicklung“ der Wirtschafts-, Rechts- und Medienwissenschaften, der Informatik, Architektur und Stadtplanung, der Kunst- und Musikwissenschaften, der Film- und Fernsehausbildung, der Lehrerbildung sowie der Technikfächer gemacht werden.

Die Hochschulen, so heißt es in dem Auftrag für die Kommission, sollen weitgehend von „regulierenden Vorgaben“ entlassen und in die Lage versetzt werden, „selbst marktorientiert zu handeln“. Die bisher „mehr auf Konsensbildung denn auf Effektivität“ aufgelegten Leitungstrukturen sollen mit dem Ziel „größerer Entscheidungsfähigkeit“ modernisiert werden.

Golnar Sepehrnia, selbst Abgeordnete im Hochschulsenat der Uni, fürchtet einen Abbau von Demokratie, sieht ihn bereits bei der Verabschiedung des LOI: „Da wird ein Coup an den Selbstverwal-tungsgremien der Uni vorbeigelandet“. So sei beispielsweise entscheidend, wer in die Kommission berufen wird. Die Präsidenten durften Dräger bis Ende März Vorschläge unterbreiten. „Ich wollte von unserem Präsidenten wissen, wen er vorgeschlagen hat“, erzählt sie. Doch dieser wolle vor dem 25. April nichts dazu sagen.

Auch die Wissenschaftsbehörde gibt sich wortkarg. „Da sagen wir nicht zu“, sagt Sprecherin Sabine Neumann. Und Uni-Sprecher Peter Wiegand kennt zwar keine Details, findet aber den Vorwurf der „Erpressung“ falsch: „Es ist auch im Interesse der Hochschulen, dass ein Strukturprozess in Gang kommt, damit die vorhandenen Gelder sinnvoll eingesetzt werden.“

Der parteilose Dräger, so werben auch andere Hochschulpräsidenten für Verständnis, wolle das Gutachten als Argumentationshilfe nutzen, um den 700 Millionen Euro-Etat seines Ressorts gegenüber dem Finanzsenator zu verteidigen. Lüthje selbst soll den Vorschlag des Gutachtens gemacht haben und wohl auch Hoffnungen in ein solches Vorgehen setzen, hatte doch 1997 schon einmal die so genannte „Grotemeier-Kommission“ festgestellt, dass gerade das breite Lehrangebot der Uni dem Wirtschaftsstandort Hamburg nützt.

So erklärt sich auch die Sprache in dem von der Behörde vorformulierten Gutachterauftrag. Statt von Fachbereichen ist in dem LOI nur von „Geschäftsfeldern“ die Rede. Die Kommission soll untersuchen, mit welchem Profil und „Wertschöpfungsbeitrag für die Stadt“ diese künftig angeboten werden.

Doch das Ergebnis der Komission hängt auch von den Vorgaben des Wissenschaftssenators ab, und der hat klare Vorstellungen, wo die Reise hingehen soll. Studienangebote würden zu sehr um des „Bildens und Lernens willen“ belegt, hatte Dräger jüngst beklagt. Das „sehr breite Angebot der Hamburger Hochschulen“, so heißt es in dem Gutachterauftrag, sei eine Folge des an der Lehrnachfrage orientierten Hochschulausbaus. Die Hamburger Wissenschaftspolitik bekenne sich ausdrücklich zur „Exzellenzförderung“ und sei dafür bereit, Abstriche in der Breite zu machen.

Nervös kann also jedes kleine Uni-Institut sein, aber auch die Hochschule für angewandte Wissenschaften (Fachhochschule) und die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) können in den Strudel instiutioneller Konzentrationen geraten, weil ihr „Leistungsfeld“ von mehreren Hochschulen „addressiert“ wird.

So soll die Kommisson auch prüfen, ob es noch sinnvoll ist, an der Unterscheidung zwischen Fachhochschulen und Uni festzuhalten, wenn alle demnächst berufsqualifiziernde Bachelor-Abschlüsse anbieten. Und wo bleibt die Wissenschaft? Für die Ausbildung künftiger Wissenschaftler soll es eine „niveauorientierte Binnendiffenerzierung“ an der Uni geben.

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