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Leo Kirch geht heute zur Beichte

Insolvenzantrag der KirchMedia AG samt Auffanglösung der Banken erwartet. Rechte an zwei Fußball-Weltmeisterschaften angeblich in die Schweiz transferiert. Politiker denken über Schutz des Fernsehmarktes vor ausländischen Investoren nach

BERLIN/MÜNCHEN taz/dpa/ap ■ Für heute wird der Insolvenzantrag der Münchner KirchMedia AG erwartet. Bei einer Auffanglösung für das Kerngeschäft der KirchGruppe haben sich die Banken nach Informationen aus Finanzkreisen bisher nicht auf eine „deutsche Lösung“ festgelegt. Mit Medienkonzernen wie WAZ oder Springer sei bisher kein Einstieg in die geplante Auffanggesellschaft vereinbart, hieß es am Sonntag bei Gläubigerbanken. Es sei genauso gut möglich, dass ausländische Investoren einbezogen würden.

In jedem Fall aber wollten die Banken eine Mehrheit an einer möglichen Auffanggesellschaft. Sie soll möglichst viele Arbeitsplätze erhalten und den Weiterbetrieb der Kirch’schen Fernsehgesellschaften und des Filmrechtehandels garantieren. Ein Konzept soll noch heute vorgestellt werden. Bei der Deutschen Bundesbank sind insgesamt Kredite an den Kirch-Konzern in Höhe von sieben Milliarden Euro gemeldet.

Politiker versuchen nach wie vor, ausländische Medienzaren wie den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi oder den US-australischen Rupert Murdoch aus dem abgeschlossenen deutschen Markt herauszuhalten. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Kurt Beck (SPD), forderte höhere Hürden für ausländische Medien-Investoren. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Ludwig Stiegler, forderte eine starke bundesweite Aufsichtsbehörde.

Beck sagte dem Spiegel, es sei Zeit, darüber nachzudenken, ob man sich nicht – wie in den USA – stärker abschotten sollte. Allerdings bedeute Medienpolitik nicht, für alle Eventualitäten vorher große Sperren aufzustellen. Nicht jeder ausländische Investor sei des Teufels. Stiegler sagte im Deutschlandradio Berlin, das deutsche Medienrecht entspreche noch nicht der wirtschaftlichen Entwicklung. Selbst Beteiligungsgrenzen könnten die Meinungsvielfalt nicht sichern, da ein Investor auch mit 49 Prozent Anteilen genug Möglichkeiten zur Einflussnahme habe. Dazu komme, dass die Medienaufsicht hierzulande auf die Bundesländer verteilt sei. Daher sollte eine starke, bundesweite Medienaufsicht angesteuert werden.

Ungeachtet des Abrückens der Bundesregierung von ihrem Plan, Bundesligavereinen im Falle einer Pleite des Kirch-Konzerns staatliche Hilfen zu gewähren, hält der heftige politische Streit über das Vorhaben an. Politiker von Union und FDP sprachen am Wochenende von Populismus. Die SPD hielt der CSU vor, die drohende Milliardenpleite mitverantwortet zu haben. Die Bundesregierung hatte am Freitag erklärt, dass die geplanten Bürgschaften vorerst vom Tisch seien, weil die KirchGruppe die nächste Rate für die Übertragungsrechte von 100 Millionen Euro wohl auch im Mai an die Bundesliga auszahlen werde. Dennoch verteidigten SPD-Politiker die Idee auch am Wochenende. Es verstehe sich aber von selbst, dass die Bundesliga-Profis auf einen Teil ihrer Millionengehälter verzichten müssten.

Eine der Perlen des Konzerns, die Rechte an den Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006, soll sich der 75-jährige Firmengründer Leo Kirch gemeinsam mit seinem Vize Dieter Hahn über die Pleite hinaus gesichert haben. Hahn habe dies mit Joseph Blatter, dem umstrittenen Präsidenten des Weltfußball-Verbands Fifa, bereits vor Ostern ausgehandelt, heißt es in einem Bericht im aktuellen Spiegel. Die einst für umgerechnet rund 1,9 Milliarden Euro erstandenen Rechte wurden demnach in die Gesellschaft KirchSport AG im Schweizer Steuerparadies Zug ausgegliedert. Die Banken hätten dem zugestimmt. Bei einer der Gläubigerbanken hieß es gestern zu dem Bericht, die Fifa hätte es so gewünscht. Es handele sich nicht um eine Art Abfindung für Herrn Kirch. Der Insolvenzverwalter habe Zugriff auf die Rechte. Noch vor einer Woche hatten Bankenvertreter die Forderung Kirchs nach einem Teil der Rechte für die WM 2006 in Deutschland als überzogen bezeichnet.

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