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Ernte aus dem Meer

Zwei Kieler Meeresbiologen kultivieren die ökologische Zucht von Großalgen in der Ostsee für Wellnessprodukte  ■ Von Silke Schlichting

Levent Piker und Kai Hoppe sind Farmer. Algenfarmer, um genau zu sein. Seit zwei Jahren züchten die beiden Diplombiologen in der Kieler Förde die Braunalge Laminaria saccharina (Zuckertang). „Wir wollten zeigen, dass damit ein nachhaltiges Wirtschaften und Geld verdienen möglich ist“, beschreibt Piker die Idee zum „Algenfarming“. Mit der ersten großen Ernte soll eine pflegende Kosmetikserie in Produktion gehen. Sie enthält nicht nur Algenextrakt aus Zuckertang, sondern auch Meerwasser aus dem Ostseebad Damp.

Inez Linke-Gamenick, Marketingreferentin der von Piker und Co. eigens gegründeten Ocean Wellness GmbH „O-Well“, glaubt fest an einen Markt für Naturkosmetik aus meeresökologisch kontrolliertem Anbau. „Die Leute wollen den ganzen Chemiekram und die ganzen High-Tech-Produkte nicht mehr.“ Und die positive Wirkung des Algenextrakts sei in der Industrie schließlich schon länger bekannt. Jedes Kosmetikunternehmen, das etwas auf sich halte, habe längst ein Produkt im Programm, auf dem „Alge“ steht. Nur dass der Anteil der meisten Produkte nicht zwanzig, sondern höchstens zwei Prozent ausmache.

Wenn alles gut läuft, kann ab Juli die äußerliche Algenkur mit einem Fitness-Drink unterstützt werden. Dafür wird allerdings noch am Geschmack gefeilt, bisher gibt es nur den Extrakt und einen wohlklingenden Namen: „Lamowell s“. Der Trunk ist besonders jodhaltig und reich an Mineralstoffen und Spurenelementen. Zurzeit schmeckt er dank eines Alkoholgehaltes von acht bis zwölf Prozent immerhin wie ein „mittelmäßiger Weißwein“, so Linke-Gamenick. Auch im Bereich algige Power-Drinks sind bereits vergleichbare Produkte auf dem Markt – und haben ihren Preis. Für 0,7 Liter Saft mit der Spirulina-Alge zahlen KundInnen im Reformhaus 3,15 Euro.

Mit „O-Well“ betreten Piker und Hoppe Neuland. Das Kerngeschäft ihrer Firma Coastal Research & Management (CRM) besteht aus der Erstellung von Gutachten. Für private Investoren und öffentliche Auftraggeber prüfen sie seit 1994 die Umweltverträglichkeit der Vorhaben. Ihr Interesse für Algen erwachte durch den im Bestand bedrohten Zuckertang.

Für das Farming-Projekt ließ sich auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt begeistern, die von 1999 bis 2001 die Methode zur Kultivierung der Algen mit 84.000 Euro förderte. Rund zwei Tonnen Algenextrakt wollen Piker und Hoppe auf ihrer Farm im Jahr produzieren.

Neben den wirtschaftlichen Erfolgen weisen die Kieler Meeresforscher auch auf den positiven Umwelteffekt ihrer Laminaria-Anpflanzung hin. So habe bereits die Pilotanlage schon nach kurzer Zeit Krebse, Schnecken, Seesterne und Fische angelockt, die auf dem steinarmen Sandboden sonst keine guten Lebensmöglichkeiten finden. Den kleineren Lebewesen folgten die größeren Räuber wie Schollen, Butterfische und Grundeln. Und auf den abgeernteten Algenfeldern siedelten sich nach kurzer Zeit Miesmuscheln an.

Jetzt müssen sich die glibberigen Pflanzen nur noch auf möglichst viele trockene Häute verteilen. Über Kurhäuser, Kosmetikerinnen und Kreuzfahrtschiffe sollen die Cremes und Wässerchen vertrieben werden. Und zumindest auf letzteren findet sich bestimmt eine zahlungskräftige Kundschaft.

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