piwik no script img

Unsicherheitsfaktor Pay-TV

Vieles bliebt unklar bei Kirch, trotz Insolvenz. Murdoch lauert im Hintergund weiter

Wie schön, dass man sich bei Kirch allen Krisen zum Trotz auf eines Verlassen kann: Undurchsichtig bleibt das Geschäftsgebahren bis zum Schluss. Als Kirch-Sanierer Wolfgang van Betteray auf einer Pressekonferenz von vier der Gläubigerbanken zur Zukunft der Kirch Media mitteilte, auch die Kirch Pay TV habe soeben einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, dementierte die Kirch-Tochter umgehend. „Wir haben weder für Kirch PayTV noch für Premiere einen Insolvenzantrag gestellt, und wir werden das heute auch nicht tun“, wies Premiere-Sprecher Dirk Heerdegen Betterays Angaben zurück. Und auch das zuständige Amtsgericht München bestätigte, bislang sei kein entsprechender Antrag eingeganen.

Betteray selbst mochte sich in der Pressekonferenz nicht zu den Widersprüchen äußern. „Wir sind genauso überrascht wie Sie, ich will aber nicht spekulieren“, gestand dafür Kirch-Media Geschäftsführer Hans-Joachim Ziens.

Ein Insolvenzantrag der hoch verschuldeten Bezahlfernsehtochter Kirch Pay war allgemein erwartet worden. Und hätte zumindest für einen der potenziellen Kirch-Erben Konsequenzen: Kirchs Pay-TV-Partner Rupert Murdoch müsste seine im Oktober fällige 1,7 Milliarden Euro-Forderung für seinen 22-Prozent-Anteil an Premiere abschreiben. Noch am Vormittag hatte Murdochs britische Pay-TV-Tochter BSkyB mitgeteilt, sie wolle ihren 22-Prozent-Anteil an Premiere gemäß der vertragliche vereinbarten Ausstiegsklausel an Kirch zurückgeben. Auf Murdoch, sagen Experte, käme es aber am Ende an. Ob sich Murdoch dagegen an der geplanten Auffanggesellschaft für die Kirch Media beteiligen wird, blieb gestern offen.

Der Springer Verlag kann sich nach Angaben aus Unternehmenskreisen dagegen durchaus vorstellen, an einer Auffanggesellschaft für die KirchGruppe beteiligt zu sein. In Berlin hieß es nach dem Insolvenzantrag am Montagmorgen, natürlich müsse eine solche Beteiligung zu attraktiven und akzeptablen Bedingungen für Springer erfolgen. Die Banken seien auf den Springer Verlag zugekommen mit der Frage, ob man sich eine Beteiligung an einer Auffanglösung vorstellen könne. Dies sei bejaht worden. Für Details sei es allerdings zu früh. Im Übrigen gebe es ein breites Spektrum von Möglichkeiten. Voraussichtlich würden die Banken bei der Auffanglösung wohl die Mehrheit übernehmen, die Rolle Springers sei noch offen. Der Verlag erwarte „eine strategische Position“, hieß es. Der Springer Verlag gehe außerdem davon aus, dass weitere Investoren einsteigen würden. Man gehe allerdings nicht davon aus, dass dies eine rein deutsche Lösung sei müsse

Und immerhin ein prominenter Springer-Kopf konnte auch einem völligen scheitern der Rettungsversuche noch Positives abgewinnen: „Der gemeinsame Untergang mit einem Unternehmer wie Leo Kirch – selbst der ist noch eine große Ehre, gemessen am jämmerlichen Dasein so vieler anderer“, sagte der Geschäftsführer der zur Kirch-Gruppe gehörenden Sender TV-Berlin und „Hundert,6“, Georg Gafron, zum Insolvenzantrag von Kirch Media. Gafron ist im Zweitjob Chefredakteur bei Springers Berliner Boulevardblatt B.Z.

STEFFEN GRIMBERG

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen