: Disziplinierter, aber rot glühender Vulkan
Die Exschwimmerin Petra Sitte will als PDS-Spitzenkandidatin die Wahlen in Sachsen-Anhalt vielleicht sogar gewinnen
Ihre Antworten sind so kurz und trocken wie ihr Haarschnitt. Gegner sprechen von der „Einheitsbürste“ der PDS-Emanzen, freundlicher und zutreffender wäre vielleicht „Sportlerbürste“. Denn die drahtige 41-Jährige war zu DDR-Zeiten nicht nur Leistungsschwimmerin, sie hält sich auch heute noch mit Radfahren erstaunlich fit.
Ihr Temperament sei „vulkanischen Ursprungs“, zitiert Petra Sitte in ihrer Selbstdarstellung Freunde – wohl nicht im Sinne rhetorischer Eruptionen, eher das beharrliche Brodeln einer unerschöpflichen Energiequelle bezeichnend. Denn in Debatten erlebt man die Spitzenkandidatin als nüchterne und klare Rednerin. Als eine jedenfalls, die ihren Doktortitel als Volkswirtschafterin an der Uni Halle nicht nur wegen Linientreue erwarb. Ohne tragfähigen Grips wäre die politische Laufbahn der damaligen FDJ-Sekretärin wohl 1990 zu Ende gewesen. Fünf Jahre später beinahe auch, als sie im Supermarkt mit einer geklauten Cremetube im Wert von zehn Mark erwischt wurde. Der Rückfall in impulsive, gar „rowdyhafte“ Jugendjahre ist längst verziehen. Petra Sitte ist schon zwei Legislaturperioden lang Fraktionsvorsitzende ihrer PDS im Magdeburger Landtag. Als „Reformerin“ gehört sie auch dem Bundesvorstand der Partei an. Zum zweiten Mal nach 1998 ist sie nun auch als Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt nominiert.
Bislang kursierte das Schlagwort von der „Konditionierungskoalition“ mit der SPD als Gegenstück zur großen „Sanierungskoalition“, die die CDU anbietet. Jedenfalls nicht mehr bloße Tolerierung wie bisher, sondern eine Regierungsbeteiligung. Mit 26 Prozent Stimmenanteil noch vor der SPD aber ist die PDS von den Umfragen überrascht worden. Es sei kein Strategiewechsel, wenn nun der Bundestags-Fraktionsvorsitzende Roland Claus seine Bereitschaft zur Übernahme des Ministerpräsidentenamtes erklärt, sagt Petra Sitte.
Warum dann nicht die selbstbewusste Spitzenkandidatin? „Wir haben mehrere für dieses Amt geeignete Kandidaten“, weicht sie aus. Dafür sollten die Sozialdemokraten endlich ihre wahren Heiratsabsichten offenbaren. „Die SPD ist wie ein Hühnerei, das kurz vor dem Platzen steht!“ Vorsichtiges Entgegenkommen in Streitfragen hat die PDS schon signalisiert, so bei der Verlängerung der Autobahn A 14 durch die Altmark nach Schwerin. Verkehrsvermeidung aber bleibe oberstes Ziel.
Wenn sie dann auch noch von der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe spricht, fällt die Adaption klassisch grüner Standpunkte ins Auge. Die gelernte Ökonomin weiß um die Vorurteile, eine PDS-Mitregierung schrecke Investoren ab. „Man traut uns wirtschaftlich nichts zu – oder alles!“ Kapital aber frage nicht nach Parteibuch, sondern nach Rendite. So sei BMW eben wegen des Höchstfördersatzes von 35 Prozent nach Leipzig gegangen. Ost-West-Lohnangleichung bis 2007, ein Vergabegesetz gegen Lohndumping, Tarifbindung, Ausbau der bisherigen Stärken im sozialen Angebot und in Wissenschaft und Forschung – das ist eine populäre und mit der SPD konsensfähige Agenda.
Obschon gebürtige Dresdnerin, erspart sich Petra Sitte im Wahlkampf sowohl anhaltische Folklore als auch den Lobpreis nachbarlicher Erfolge wie der CDU-Konkurrent und Sachse Wolfgang Böhmer.
MICHAEL BARTSCH
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