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Es wird alles noch furchtbarer

Ab Montag berät die Bürgerschaft den ersten Haushalt des Rechtssenates. Ein Etat ohne klare Linie, der nur eines konsequent tut: Kürzen bei denen, die keine Lobby haben  ■ Von Peter Ahrens

Spaß macht das nicht mehr. Seit Monaten wütet das Thema Kürzungen, Streichungen, Einsparungen durch die Stadt. Am Dienstag werden Tausende dagegen zur Großdemonstration auf die Straße gehen, es ist das beherrschende Thema des heutigen taz-Kongresses. Tag für Tag dasselbe: Hier ein Projekt, das dicht gemacht wird, dort ein Träger, der die Waffen streckt – und das ist erst der Anfang.

Der Haushalt 2002, der am kommenden Mittwoch nach dreitägiger Bürgerschaftsdebatte mit der Mehrheit von CDU, FDP und Schill-Partei in der Bürgerschaft verabschiedet wird, ist nichts weiter als ein Vorgeschmack auf das, was die Stadt in den Folgejahren erwartet. Ein Senat, der mehr Polizis-ten und Lehrer einstellen muss, um sein Gesicht zu wahren, obwohl er sie an sich gar nicht bezahlen kann. Sozialeinrichtungen, die finanziell dafür bluten müssen, eine ausgedünnte Trägerlandschaft, in der nur ein paar botmäßige Angebote überleben. Es wird sich noch vieles ändern, solange der von Beust-Senat regiert – in drei Jahren wird der jetzige Sparetat in der Rückschau erscheinen wie das letzte Füllhorn. Der soziale Frieden in Hamburg bricht.

Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) hatte bislang nichts anderes zu tun, als in regelmäßigen Abständen mit zerfurchter Miene vom Auffinden neuer Finanzlöcher zu künden. Noch in dieser Woche sind 163 Millionen vermeintlich fehlende Euro dazugekommen. Schon vorher konstatierte Peiner ein Minus gegenüber den Schätzungen von 464 Millionen Euro. Horrormeldungen, die durchaus mit Kalkül eingesetzt werden. Denn die Finanzlöcher sind zuweilen längst bekannt.

Der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft wusste schon seit Februar von den neuen Steuerausfällen, bevor Peiner sie in dieser Woche als aktuelles Minus verkaufte. „Hier werden Hiobsbotschaften fallweise inszeniert“, spottet der SPD-Haushaltsexperte Walter Zuckerer. Für den Senat ist eine möglichst schlechte Finanzlage das beste Argument, um Kürzungen als unabdingbar notwendige Sparschritte zu präsentieren. Zugleich ist es eine perfekte Argumentation, um zu begründen, warum man nun doch noch nicht die zusätzlichen Polizisten- und Lehrerstellen schaffen konnte, die man vor der Wahl versprochen hatte.

Dabei streitet auch die Opposition nicht ab, dass die allgemeine Finanzlage tatsächlich schlechter geworden ist: Die Steuerreform der (rot-grünen) Bundesregierung, das fiskalische Streicheln der Großunternehmen, deren Steuerpflicht kontinuierlich gesunken ist, das Anwachsen der im Umland steuerzahlenden Berufspendler, die man auch mit dem nebulösen Senatskonzept der „wachsenden Stadt“ nicht zurückholt, die Unwägbarkeiten des Länderfinanzausgleiches – all das führt dazu, dass die finanziellen Spielräume für Politik verschwinden.

Und die wenigen, die es noch gibt, werden vom Senat ausschließlich in seinem Sinne genutzt. Die Rechts-Koalition hat den Balken der Inneren Sicherheit im Auge – und das führt dazu, dass sie das Geld, das man noch ausgeben kann, radikal umschichtet. Nicht alles, was als Sparmaßnahme daherkommt, ist demnach auch eine. Der Senat gibt immerhin 1,8 Prozent mehr aus, als Rot-Grün das für dieses Jahr vorgesehen hätte. Dieser Haushalt ist (noch) kein radikaler Sparhaushalt.

Er ist vielmehr einer, der die Wahlversprechen zumindest ansatzweise umsetzen muss. Innere Sicherheit war versprochen worden – also wird auf krachlederne Weise in Polizei – und komme sie auch aus noch so fernen Bundesländern – investiert, in Videoüberwachung und uniformierte Präsenz. Bildung war versprochen worden – also wird mit Lehrerstellen balanciert. Dabei geistern allerdings unterschiedlichste Zahlen durch die öffentliche Debatte, was mehr über die Konzeptlosigkeit des oft überfordert wirkenden Bildungssenators verrät als über klare Schwerpunktsetzung.

All diese Ausgaben sind angesichts des ausbleibenden Steuersegens eigentlich nicht drin, wenn man tatsächlich eine seriöse Spar- und Konsolidierungspolitik betreiben will. Stattdessen verfährt der Senat nach der Methode: Wenn ich schon Geld ausgebe, das ich nicht habe, dann nehme ich es wenigs-tens da weg, wo es am meisten anrichtet. Wem das unlogisch dünkt, der liegt nicht ganz falsch.

Man will Innere Sicherheit und streicht bei der Öffentlichen Sicherheit. Man will Opferschutz und schafft Opfer. Beratungsstellen, die sich um Frauen kümmern, die sexuell missbraucht wurden, erhalten weniger Geld, und Autofahrer werden zum Schnellerfahren ermuntert. Wer Täter und wer Opfer ist, das definiert der Senat für sich höchstpersönlich. Man redet vom Schwerpunkt Bildung und doktert an der Zukunft der Fachoberschulen herum.

Der in seinem Amt deplatzierte Gesundheitssenator Peter Rehaag (Schill) kündigt Kürzungen im Drogenbereich an, die ihm selbst von den Fachsprechern der Koalitionsparteien um die Ohren gehauen werden. Um das Gesicht zu wahren, werden die meisten von ihnen trotzdem durchgezogen, und der Gesundheitsexperte der CDU-Fraktion, Dietrich Wersich, muss sie wider besseren Wissens vor der Presse auch noch verkaufen.

Der erste Haushalt der Regierung von Beust irrlichtert ohne klare Linie durch die Gegend. Die Opposition höhnt, „der Senat sei in der finanzpolitischen Realität angekommen“, wenn er plötzlich zum Mittel der Nettokreditaufnahme greift oder der Finanzsenator zerknirscht verkündet, man müsse zur Not auch öffentliches Vermögen versilbern, um die Löcher im Betriebshaushalt zu stopfen.

Genau das waren in den vergangenen Jahren aus Sicht der CDU die Todsünden der rot-grünen Haushaltspolitik. Der jetzige CDU-Fraktionschef Michael Freytag, dereinst finanzpolitischer Frak-tionssprecher, beschwor die Schuldenspirale und prangerte den „Irrweg“ an, die Erlöse aus dem Verkauf von Staatseigentum nicht für Investitionen zu nutzen. Exakt das hat der jetzige Senat nun auch vor und verschanzt sich hinter dem Argument der angeblich überraschend schlechten Finanzsituation.

So ist derzeit in der Politik des Senates nur ein roter Faden erkennbar: Gestrichen wird bei den Einrichtungen, die der CDU-Klientel nicht besonders wehtun. Drogenhilfen, Aids-Vorsorgen, Frauenprojekten geht es an Kragen, das ist durchaus gewollt. Dass mit dem Streichen bei Beschäftigungsträgern oder beim Reduzieren der Sozialhilfe auch genau die zu kurz Gekommenen getroffen werden, die mit ihrer Protestwahl im September die Schill-Partei erst ins Regierungsamt gehievt haben, ist den Anfängern im Regierungsgeschäft um den Affärenjäger Ronald Schill offenbar gar nicht bewusst.

Die Schill-Partei sägt kräftig an dem Ast, auf dem sie sitzt: Das subjektive Unsicherheitsbedürfnis ihrer Wähler kann sie nicht stillen, dafür aber deren soziale Lage noch verschlechtern. Die CDU und ihr Bürgermeister Ole von Beust sehen das mit einem gewissen taktischen Wohlwollen. Dieser Haushalt ist ein CDU-Haushalt, so wie der Senat ein CDU-Senat ist mit ein bisschen FDP-Suppengrün obendrauf. Ein Konsolidierungshaushalt ist es noch lange nicht.

Peiner vertröstet bei seinen öffentlichen Auftritten in Sachen Sparen auf das kommende Jahr, und es steht zu befürchten, dass er es ernst meint. Wenn erst einmal nach außen der Anschein erweckt ist, es sei in den vom Senat als prioritär bezeichneten Bereichen etwas passiert, dann kann richtig die Schraube angedreht werden. Hamburg hat ungemütliche Zeiten vor sich.

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