: Solarmuffeln an der Weser
■ Bremen ist Schlusslicht bei alternativer Energienutzung: Viel seltener als anderswo zapfen Firmen und Private die Sonne an, die doch keine Rechnung stellt
Solarkollektoren auf dem Dach? Blauschimmernde Glasfassaden, die Strom erzeugen? Was anderswo in Neubaugebieten schon fast zum Standard avanciert, bei High-Tech-Firmengebäuden zum guten Ton gehört, muss man in Bremen lange suchen. „Weit weniger als im Bundesdurchschnitt“ nutzten die BremerInnen die Sonne, um Warmwasser und Strom zu erzeugen, sagt Bernd Langer vom Bremer BUND. Bernd Oei von der Gesellschaft für Solare und Innovative Techniken e.V. (GSIT) wird noch deutlicher: „Wir in Bremen sind bundesweit Schlusslicht.“
„Deutschland wird Weltmeister – zumindest in der Solarenergie“ heißt eine vom Bundesumweltministerium geschaltete Kampagne, die für noch mehr Sonnennutzung wirbt. Bremen hinkt hinterher. Ganze 372 so genannte thermische Solaranlagen, die Warmwasser erzeugen, und 113 Photovoltaik-Anlagen, die Sonnenlicht in Strom umwandeln, standen im letzten Jahr auf Dächern buten und binnen. Das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn, das die Zuschüsse für den Bau von Solarkollektoren vergibt, registrierte im vergangenen Jahr mit rund 200 zwar schon fast doppelt so viele Anträge aus dem Städtestaat wie noch im Jahr 2000 – umgerechnet auf die Einwohnerzahl bauten die Niedersachsen im gleichen Zeitraum allerdings fast viermal, die Bayern gar mehr als zehnmal so viele Anlagen.
An der fehlenden Sonne im Norden liegt es offensichtlich nicht. „Das ist nur ein Vorurteil“, sagt BUND-Mann Langer. Denn auch in Bremen kommt nur 13 Prozent weniger Energie vom Himmel als etwa im überdurchschnittlich sonnenverwöhnten Freiburg.
Etwa sechs Quadratmeter Kollektorfläche reichen bereits aus, um einen Vier-Personen-Haushalt von Mai bis September komplett mit Warmwasser zu versorgen. Die Heizungsanlage kann während dieser Zeit abgeschaltet werden. Im Winter liefert die Sonne immer noch ein Fünftel des Warmwassers. „Man kann eine Solaranlage an jede vorhandene Heizung anschließen“, betont BUND-Berater Langer. Die Gelegenheit zum Einstieg ist günstig – gerade in Bremen: Denn neben der Bundesförderung in Höhe von 92 Euro pro Quadratmeter Kollektorfläche zahlt die swb Enordia allen ihren Gaskunden noch bis Ende des Jahres einen Zuschuss von 515 Euro pro Anlage. Von den rund 5.000 Euro für eine Sechs-Quadratmeter-Anlage bleiben in Bremen also nur etwa 4.000 Euro am Hauseigentümer hängen. Nach 20 Jahren, so BUND-Berater Langer, habe sich die Investition über die eingesparten Heizkosten wieder eingespielt – bei den heutigen Gas- und Ölpreisen. Sollten diese in den nächsten 20 Jahren weiter steigen, sind die Solarwärme-NutzerInnen eher aus dem Schneider. Langer: „Die Sonne schickt keine Rechnung.“
Etwas mehr „Idealismus“ braucht, wer Sonnenlicht mittels der meist blauschimmernden Solarzellen in Strom umwandeln will. Trotz der für 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung in Höhe von 48,1 Cent pro Kilowattstunde und zinsgünstiger Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau ist der Solarstrom meist noch ein Zuschussgeschäft – allerdings nur, wenn man lediglich die Stromerträge berücksichtigt, wie Solarberater Bernd Oei von der GSIT unterstreicht. Innovative Konzepte setzen die stromerzeugenden Siliziumplatten daher gleichzeitig zur Abschattung oder als gestaltendes Fassadenelement ein – zusätzlicher Nutzen. Insbesondere für Firmen könne eine Solaranlage auch ein Markenzeichen sein.
Oei hat für das solare Zaudern der Bremer wenig Verständnis. „Eine gut gebaute Anlage bringt doch auch 30 oder 40 Jahre Strom“, sagt er. Und klagt: „Da fehlt der amerikanische Pioniergeist.“
Unter der Schirmherrschaft von Umweltsenatorin Christine Wischer (SPD) haben sich schon 1998 mehr als 20 Institutionen und Verbände zur „Solarinitiative“ zusammengeschlossen, um „die Nutzung der Sonnenenergie in Bremen und Bremerhaven voranzutreiben“, wie es in der Selbstdarstellung heißt. Doch das Ergebnis ist mager. Zwar will die Initiative Öffentlichkeitsarbeit für die Nutzung der Sonnenenergie machen, doch eine Solarmesse – die etwa im vergangenen Jahr mit Solaranlagen zum Anfassen und Fachvorträgen an der Hochschule über 1.000 Besucher anlockte – wird es erst 2003 wieder geben. Zwar haben sich bereits rund 30 Installations- und Dachdeckerfirmen aus der Region in „Solarthermie“ fortbilden lassen. Branchenübergreifende Kooperation und gemeinsames Werben für die sonnige Energie ist jedoch nicht angesagt: „Da hat jeder Angst, dass ihm der andere die Kunden wegschnappt“, ärgert sich Oei.
Dass Solarenergie nicht nur zur Produktion von warmem Wasser und Strom genutzt werden kann, zeigt das Bremer Unternehmen Ecotec. Eine sogenannte Adsorbtionskälteanlage – ein vom Bundesforschungsministerium geförderter Prototyp – wandelt die mit Kollektoren eingefangene Sonnenhitze in Kälte um. Das größte Manko der Solarenergie, dass sie nämlich vor allem im Sommer anfällt, wird so zum Plus: Kühlbedarf besteht schließlich nur, wenn auch die Sonne scheint. hoi
Die Gesellschaft für Solare und Innovative Technik (Tel.: 43 03 68) organisiert regelmäßig einen „Solarstammtisch“. Kostenlos beraten auch der BUND (Am Dobben 44, Tel.: 790 02 79), die Verbraucherzentrale (Altenweg 4, Tel.: 160 77 53) und die swb (Sögestraße 59, Tel.: 359 20 40). Einen ersten Überblick über die solaren Möglichkeiten am eigenen Haus liefert auch der Online-Solarcheck der Bremer Solarinitiative unter www.energiekonsens.de/aktivitaeten/solarinitiative/solarcheck/solarcheck 0.html.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen