: Saufen. Kiffen. Politik
Grüne Jugend und Jusos beschworen am Wochenende, wie viel Einfluss sie auf die Partei haben. Der Unterschied zwischen den Möchtegernkiffern und den Pseudoprofis liegt im Atmosphärischen
von ANGELIKA HENSOLT und NICOLE JANZ
„Jungsozialisten saufen, die Grüne Jugend kifft“, ruft einer vom Sofa rüber. Zwischen goldenen Putten-Engeln lümmelt sich die Zukunft der Grünen zu Chill-out-Musik. Die grüne Jugend fläzt in ihren Polstern. Der Eröffnungsabend zum Bundeskongress des grünen Parteinachwuchses in Magdeburg ist eine Party im In-Club „Blue“.
Ob die Grünen kiffen, sei dahingestellt. Das mit dem Saufen und den Jusos passt. Im Potsdamer „Artspeicher“, gleichfalls ein In-Club, hält fast jeder Juso ein Beck’s in der Hand. Unter den Dachbalken drängen sich die einen an silbernen Tischen, die anderen zucken zu Diskobeats über die Tanzfläche. Die Jusos sind auf Abfeiern aus. Sie haben schon zwei anstrengende Kongresstage hinter sich – harte Arbeit.
Von politischer Bedeutungslosigkeit, die man ihnen leicht unterstellt, wollen die Jusos nichts hören. Niels Annen, Bundesvorsitzender, schüttelt den Kopf. Er will nicht bestätigen, dass die Jusos den Einfluss aus den 70er-Jahren verloren haben. „Ich bestreite nicht, dass ich gern mehr Einfluss hätte“, sagt der 29-Jährige Geschichtsstudent aus Hamburg. „Aber wir sind weder angepasst noch linksradikale Spinner – wir entwickeln ganz konkrete Politik.“ Zum Beispiel, brüllt er gegen die Musik an, sei das Jump-Programm der Regierung für benachteiligte Jugendliche auf Juso-Initiative zurückzuführen.
Annen lehnt an der Wand vor den Toiletten und trinkt sein Pils. Auch bei der Wehrpflicht hätten sich die Jusos zu Wort gemeldet. Und sie trügen den Bundestagswahlkampf der Mutterpartei organisatorisch mit. „Wir verschaffen den Druck von links, den die SPD nötig hat“, sagt er.
Grüne Frauen haben Feuer
Auch auf der Grünen-Party ist man sicher: Es besteht Einfluss auf die Bundespartei. „Wir sorgen mit spektakulären Aktionen dafür, dass wir in der Mutterpartei gehört werden“, sagt Tina Gerts (23), Sprecherin der Grünen Jugend. Die Sozialwissenschaftsstudentin aus Berlin zündet sich eine Zigarette an. Auf dem Feuerzeug steht: Frauen haben Feuer. „Zum Beispiel serviert die Grüne Jugend dem Bundesvorstand Sektgläser mit Joints, um auf die Drogenproblematik aufmerksam zu machen.“
Mit einem Leitantrag zur inneren Sicherheit wollen die Junggrünen auf dem Kongress politisches Profil zeigen. Nicht immer liegen sie damit auf der offiziellen Parteilinie. Wie die Jusos finden auch die jungen Grünen, dass sie linker als die Mutterpartei sind. Deshalb sind die Nachwuchspolitiker mit der Politik von Joschka Fischer und Co. nicht immer einverstanden: „Manche von uns wünschen sich, dass die Grünen aus dem Bundestag fliegen, Ströbele das Direktmandat gewinnt und dann allein die Fahne hochhält“, grinst einer. Für viele in der Grünen Jugend ist Ströbele das Vorbild schlechthin. Fischer-Sympathisanten dagegen trifft man selten: „Der verkörpert so ein extremes Realo-Sein, das mögen viele nicht“, erklärt einer. An der Regierung wollen die meisten aber schon beteiligt sein.
Jusos sind Anzugtypen oder Ideologen
Auch die Jusos kritisieren auf ihrem Kongress die Mutterpartei SPD. Von einer Spaltung mag Niels Annen aber nicht sprechen. Einer seiner Genossen hatte gesagt, die Jusos seien in wenige „Anzugtypen auf Schröder-Linie“ und viele „linke Ideologen“ geteilt. „Es gibt zwar Gruppen bei uns, die lieber auf die Kritik an Schröder verzichtet hätten“, sagt Annen. Viele Jusos hatten die Haushaltskonsolidierung kritisiert – angesichts der Arbeitslosigkeit sollte man dieses abstrakte Ziel in den Hintergrund stellen. Trotzdem, man ist sich einig: „Wir wollen, dass Schröder Kanzler bleibt“, so Annen.
Beide Jugendorganisationen verfolgen ein ähnliches Ziel. Nur der Weg dorthin unterscheidet sich. Jusos und Junggrüne haben nicht nur ein anderes Partyverhalten, sondern auch unterschiedliche Vorstellungen von einem gelungenen Kongress.
Beim chilligen, eher chaotischen Treffen der 100 Teilnehmer der Grünen Jugend in der himmelblauen Aula eines Magdeburger Gymnasiums gab es weder Platzkarten noch Hotelzimmer – übernachtet wurde in einer Turnhalle. Und es gab jede Menge Verspätungen. „Wie immer läuft irgendwas schief“, entschuldigt sich Sprecherin Gerts. Macht nichts: Zum Überbrücken trinken auch Grüne Bier – und philosophieren dabei.
Die Jusos hingegen legen Wert auf Professionalität. Beim Kongress im hochmodernen Seminarzentrum der Sparkassen-Akademie mit dazugehörigem Hotel läuft alles nach Plan. Die rund 300 Delegierten sitzen korrekt an Tischen mit kleinen Schildchen – „Hessen Süd“. Für die Raucher stehen vor der Tür Bildschirme – damit keiner die Debatte verpasst.
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