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Wissenschaft muckt auf

■ „Demokratischer Stilbruch“: HochschullehrerInnen sind empört über Senator Drägers geforderten „Letter of Intent“

Die Absicht der Wissenschaftshörde, alle sechs Hochschulpräsidenten einen „Letter of Intent“ unterschreiben zu lassen, sorgt für Aufregung an der Uni. Wie berichtet, soll ein externes Gutachterteam bis November Vorschläge unterbreiten, wie die Unterausstattung der Hochschulen kostenneutral beseitigt werden kann. Im Vorwege sollen die Präsidenten blind zusichern, die Empfehlungen, die auch Schließungen bedeuten können, zu befolgen.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es solche massiven Strukturänderungen geben kann, ohne dass sich die Selbstverwaltungsgremien mit Protest zu Wort melden“, sagt die ehemalige Uni-Vize-Präsidentin Barbara Vogel. Deshalb habe der Fachbereichsrat Philosophie und Geschichte, deren Mitglied sie ist, den Uni-Präsidenten aufgefordert, das Papier nicht zu unterschreiben, bevor sich der Akademische Senat damit befasst hat. Die Historikerin ist gar der Ansicht, dass Lüthje das Schriftstück ohne die Zustimmung dieses Gremiums nicht unterzeichnen dürfe.

Als „demokratischen Stilbruch“ bezeichnet auch Erziehungswissenschaftlerin Ingrid Gogolin den Vorgang. Zwar habe der Uni-Präsident im März den alten Akademischen Senat „oberflächlich informiert“. Der neue Hochschulsenat, der am 25. April zum ersten Mal zusammenkommt und die Entscheidungen mittragen und umsetzen muss, sei aber unwissend. Problem dabei: Die Behörde verlangt, dass die Präsidenten bis zu genau diesem Tag ihre Zustimmung geben.

Doch neben formaler Kritik gibt es großen inhaltlichen Diskus-sionsbedarf über den ebenfalls als Kopie kursierenden Entwurf für den Gutachterauftrag. „Sprache und Normen“ darin, so Vogel, stünden im „kräftigen Widerspruch“ zu den Grundwerten der Uni. Für Ingrid Gogolin ist der Auftrag, den sie in Auszügen kennt, unprofessionell: „Da sind zum Teil Formulierungen drin, von denen man vermuten kann, dass sie die Ergebnisse vorwegnehmen“. Besonders problematisch sei die Aufteilung der Uni in autonome Einheiten: „Darin liegt die Gefahr der Zerschlagung des Grundgedankens der Universität.“

Karl-Josef Pazzini, Professor für Erziehungswissenschaft und Bildende Kunst, bezeichnet das Vorgehen gar als „Angriff auf mühsam erkämpfte Freiheit der Forschung und Lehre“. So sei das in dem Gutachterauftrag vorgegebene Kriterium der Marktorientierung „forschungs- und wissenschaftsfremd“. Pazzini: „Es geht um den Diskurs um die Wahrheit. Da hat das externe Kriterium 'marktorientierung' nichts zu suchen.“

Germanistik-Professorin Marianne Schuller warnt vor dem im Gutachterauftrag vorgezeichneteten Weg, berufsqualifizierende und wissenschaftliche Studiengänge zu trennen: „Wir leben heute in einer sich so schnell verändernden Welt, dass die starre Verknüpfung des Studiums mit einem Berufsziel falsch ist.“ Stattdessen müsse die Uni Studierenden „denkerisch auf Probleme vorbereiten, die wir noch nicht kennen“. Kaija Kutter

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