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„Lourdes ist wie Kinder kriegen“

■ Fünf Millionen Wallfahrer ziehen jährlich nach Lourdes. Zwei Bremer sind im norddeutschen Pilgerzug als Helfer dabei

Mit den ersten Sonnenstrahlen kommen die Pilger. In Scharen ziehen katholische Wallfahrer nach Lourdes, dem französischen Wunderort am nördlichen Rand der Pyrenäen. Von April bis Oktober ist Hauptsaison, fünf Millionen Gläubige zahlen viel Geld für das göttliche Erlebnis. Im Sommer rollt auch ein norddeutscher Pilgerzug nach Lourdes. Die Bremerin Maria Jahnke und ihr Malteser-Kollege Norbert Kuhnigk sind als Helfer für behinderte Pilger dabei. In diesem Jahr zum sechsten Mal.

„Lourdes kann man einfach nicht erklären, das ist wie Kinder kriegen“, sagt Jahnke. Kuhnigk stimmt euphorisch ein: „Ein Gefühl von Gemeinschaft und Internationalität. Kranke und Behinderte sind total integriert, sie sind ja auch irgendwie die Hauptpersonen.“ Jahnke nickt und berichtet: „Natürlich gibt es nicht ständig Wunderheilungen. Aber in Lourdes kann man seine Sorgen wegbringen, mal so richtig abladen“. Irgendwo dort, zwischen Gruppenerlebnis, Hoffnung und Meditation, liegt Lourdes.

Der Rummel um Frankreichs Touristenziel Nummer zwei – davor rangiert nur Paris – begann vor 144 Jahren mit einem kleinen Mädchen. Es heißt, Bernadette Soubirous habe in der Grotte von Lourdes eine Marienerscheinung gesehen. Die Mutter Gottes offenbarte ihr dort eine verborgene Quelle. Als wenige Jahre später von Wunderheilungen berichtet wird, kommt der erste Pfarrer. Dann ein Bischof, dann der Papst und schließlich die ganze Welt. Inzwischen hat sich Lourdes, inklusive der Kirchen, der Grotte und Heilwasserbäder, zu einer gut organisierten Touristenmaschine entwi-ckelt. Die Hotels sind teuer, die Souvenirs kitschig, das Elternhaus der Bernadette gegen Eintritt zu besichtigen. Es gibt Gottesdienste in allen Sprachen. Gruppen müssen sich dafür schon im Februar anmelden, auch für Grottenbesuch und Bäder. Ein All-inclusive Pilgerprogramm.

Genau 657 Euro kostet die siebentägige Pilgerreise ab Bremen, die vom Malteser Hilfsdienst und dem Wallfahrer-Verein des Bistums Osnabrück angeboten wird. Sogar HelferInnen zahlen den vollen Preis. „Die Behinderten sollen nicht auch noch das Geld für eine Begleitperson ausgeben müssen, die sparen sich die Reise oft genug vom Mund ab“, sagt Helferin Jahnke. Jeder, der noch irgendwie transportfähig ist, kann mit. Im Pilgerzug gibt es Lazarettwagen, Ärzte und Krankenschwestern. Und Stimmung, wie auf einer Butterfahrt. „Es gibt Stullen und Eintopf, Lieder und Kartenspiele“, sagt Jahnke.

Auf der großen Esplanade von Lourdes reihen sich dann Rolli an Rolli und Pritsche an Pritsche. Getrieben von der Hoffnung auf Heilung. „Wenn einer keine Beine mehr hat, weiß er natürlich, dass die ihm in Lourdes keine neuen herzaubern“, sagt Kuhnigk. Maria Jahnke erzählt von einer Geschichte: „Ich kenne eine Blinde, die ein Bad im Heiligen Wasser nehmen wollte. Jemand fragte, ob sie glaube, sie könne danach wieder sehen. Sie sagte: Nein, aber sie hoffe, ihre Krankheit besser akzeptieren zu können“. Ein Wunder?

„Ich glaube an die vielen kleinen Lourdes-Wunder“, sagt Jahnke. „Ein bisschen mehr Zufriedenheit erreichen, neue Kraft für den Alltag tanken.“ Tief berührt erzählt sie die Geschichte von Werner, einem Rollstuhlfahrer: „Ich habe den Werner betreut. Und er hat mir viel von seinen Problemen erzählt. Vom Leben im Heim, seinen Ängsten, der weggelaufenen Ehefrau. Da habe ich gesagt: Werner, wir gehen zur Grotte und da kannst du mal so richtig weinen. Das hat er gemacht und hinterher zu mir gesagt: Maria, jetzt ist mein Herz wieder leichter und ich habe Lust zu Leben.“

Antonia Götsch

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