Die Ostfrau, die auf Westwind setzt

Undine Kurth, bündnisgrüne Spitzenkandidatin in Sachsen-Anhalt, hat einiges vorzuweisen, aber wenig Chancen

Als bei einem großen Wahlforum in Magdeburg ein Politikwissenschaftler den Bündnisgrünen das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde prophezeit, gibt es Beifall im Saal. Bei Spitzenkandidatin Undine Kurth aber weckt die Prognose nur den Kampfgeist. Bei der folgenden Talk-Runde macht sie mindestens ebenso viele Beifallspunkte wieder gut, vor allem wenn sie mit witzigen Kontern den Schill-Kandidaten auflaufen lässt.

In der öffentlichen Diskussion kann sie zumindest etwas vom Image der Investitionsbremser korrigieren, das den Bündnisgrünen seit dem unseligen Benzinpreis-Beschluss des Magdeburger Parteitags 1998 anhängt. Dabei können die Grünen einiges vorweisen: „Frischer Wind schafft Arbeit“ heißt es auf einem grünen Wahlplakat. Zu belegen am größten Magdeburger Betrieb, einem Hersteller von Windkraftanlagen, an 2.000 neuen Arbeitsplätzen im Land auf diesem Gebiet und dem bundesweit vierten Platz bei der Nutzung regenerativer Energien. Damit besetzen die Grünen auch das Zentralthema in Sachsen-Anhalt, die Schaffung von Arbeitsplätzen. 10.000 neue Jobs in der Umweltindustrie halten sie für realistisch.

Die Basis dafür ist in den vier Jahren grüner Regierungsbeteiligung von 1994 bis 1998 geschaffen worden. Das werde leicht vergessen, sagt die grüne Spitzenfrau, zumal in den letzten Jahren einiges davon zugunsten fragwürdiger Großprojekte vernachlässigt worden sei. Flughafenpleiten wie die in Cochstedt meint denn auch der Wahlslogan „Grüne Jobs statt roter Flops“.

Undine Kurth hat noch ein paar Ideen mehr, zum Beispiel die sanfte touristische Nutzung der im Osten noch zahlreich vorhandenen Naturreservate. Zum Wahlkampf gehört eine „Help the Elb“-Tour. Zinslose Kredite für Familiengründer wie einst in der DDR und ein kostenloser Kitaplatz für Kinder ab fünf Jahren stehen auf der sozialen Agenda. Nimmt man noch die Kampagne gegen den „gläsernen Bürger“ hinzu, fällt die Konzentration auf die beiden originär bündnisgrünen Themen Ökologie und Bürgerrechte auf.

Undine Kurth verkauft sie mit Unbekümmertheit und einem wedelnden blonden Pferdeschwanz, der die Fünfzigjährige wohl jünger, aber nicht mehr als jugendliche Sponti-Spinnerin erscheinen lässt. Unter den müde, verklemmt, verschlagen oder großväterlich erscheinenden Spitzenkandidaten wirkt sie jedenfalls quicklebendig und unverbraucht: „Ich bin ziemlich belastbar!“ Die schon seit 1987 frei arbeitende Innenarchitektin ist nicht nur eine Wende-Quereinsteigerin in die Politik, sondern auch eine „Spätberufene“.

Erst 1994 trat die Grünen-Sympathisantin in die Partei ein, stieg dann aber schnell auf. Schon zwei Jahre später zur Sprecherin des Landesverbandes, 1999 kam sie in den Bundesparteirat. Seit zwei Jahren sitzt sie sogar im Bundesvorstand. Neben Wolfgang Böhmer (CDU) und Petra Sitte (PDS) ist sie übrigens die dritte geborene Sächsin unter den Spitzenkandidaten. Egal, Hauptsache Osten. Und den vertritt sie mit aller Vehemenz, holt die gesamte Parteiprominenz gleich mehrfach in den Wahlkampf. Von Testwahl für den September oder gar Schicksalswahl für die Grünen will Undine Kurth nichts wissen. „Ob wir in den Landtag einziehen oder nicht, es bleibt das Signal des Rostocker Parteitages: Der Osten ist wichtig!“ MICHAEL BARTSCH