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Eingeigelt lassen

Der Frühling beginnt, doch die Igel schlafen noch. Wer sie weckt, muss ein Häuschen bauen  ■ Von Kaija Kutter

Der Supermarkt ist schuld. Schon seit Februar stehen die Auslagen mit Blumenknollen am Eingang, 1 Euro 99 für Fresien, die im Spätsommer herrlich blühen, wenn sie jetzt gepflanzt werden.

Das vertrocknete Grasbüschel sah ganz unauffällig aus und gehört in so ein Beet eigentlich auch nicht rein. Also trotz ökologischer Vorsätze mit der Hacke dran gezupft. Zu spät. Was zehn Zentimeter tiefer zum Vorschein kam, war mitnichten schwarze Erde, sondern der stachelige Pelz unseres Gartenigels.

„Es gibt Igel, die sind gute, und es gibt welche, die sind schlechte Nestbauer“, sagt Sigrun Goroncy, die Gründerin des Hamburger „Komitees für Igelschutz“. Deshalb kann es passieren, dass Igel nicht unter Laubhaufen überwintern, sondern unter dürren Grasbüscheln. Werden sie geweckt, haben sie ein echtes Problem.

Ihre Körpertemperatur ist auf 5 Grad abgesenkt, sie müssen ein „Notaufwachprogramm“ fahren, wie Nabu-Biologe Michael Westphal es nennt. „Das kostet die Tiere sehr viel Energie.“ Dies sei fatal, weil dabei Reserven im Nackenfett aufgebraucht werden, die die Säuger für ihre spätere achttägige Aufwachphase aus dem Winterschlaf dringend brauchen.

Wird der Igel also sterben? „Wenn Sie ihn gleich wieder zudecken, ist das nicht so schlimm“, sagt Westphal. Keineswegs dürfte man das Tier aber in die Hand nehmen. Igelschützerin Goroncy ist da skeptischer: „Wenn Sie ihn aufdecken, haben Sie dem Igel die Isolierung genommen“, der Schaden sei nur mit einer geschlossenen Holzkiste zu beheben, die man über das Stacheltier stülpt, inklusive einer Öffnung zum Weglaufen.

Der Vorfall am Grasbüschel ist kein Einzelfall. Sigrun Goroncy, die in ihrem Haus eine Art Igelklinik betreibt, hat in diesem Frühjahr allein 44 Tiere aufgenommen, der Großteil wurde vorzeitig aufgeweckt. Ein Igel versteckte sich unter Funkien, die im Winter welkten, andere Jungtiere sind mit knapp 200 Gramm zu schwach zum Überleben. Goroncy: „Wenn ein Igel tagsüber –rumläuft, können sie davon ausgehen, dass er krank oder untergewichtig ist.“ Die Expertin rät zum Zufüttern mit Trockenfutter aus der Zoohandlung und zum weniger aufgeräumten Garten. Blätter gehören eigentlich nur vom Rasen, nicht aber von Beeten weggeharkt. Und die blank gezupfte schwarze Erde – klassisches Kennzeichen eines „ordentlichen“ Gartens – nimmt Kleintieren die Lebensgrundlage. „Igel finden in aufgeräumten Gärten zu wenig Nahrung“, mahnt auch alle Jahre wieder der Nabu.

Schlimmer noch die Autos. Stacheln richten gegen Gummireifen nichts aus. Weil Igel bei Gefahr aber nicht weglaufen, finden in Deutschland im Jahr 600.000 den Verkehrstod. Um darauf aufmerksam zu machen, plant das Igelkomitee für 2002 eine Hamburger Statistik und bittet darum, Unfallopfer zu melden (Tel.: 540 48 07). Und der Nabu verschickt für 3 Euro sein Heft zum Thema: „Der Igel - Pflegefall oder Outdoor-Profi“ (Tel.: 697 08 90)

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