: Fuchs soll Gans stehlen dürfen
Naturschutzbund fordert eine ökologische Reform des Bundesjagdgesetzes: Die Jagd dürfe nicht zum Selbstzweck werden. Zudem sollten Jäger stärker kontrolliert werden. Im Verbraucherministerium sieht man jedoch keinen Handlungszwang
von PHILIPP HORSTMANN
In deutschen Wäldern sollen die Waffen öfter ruhen. Jedenfalls wenn es nach dem Willen des Naturschutzbundes (Nabu) geht. Er stellte gestern in Stuttgart sein jagdpolitisches Grundsatzpapier vor.
Über 5 Millionen Wildtiere brachten die 330.000 deutschen Jäger im vergangenen Jahr zur Strecke. Bislang stehen beispielsweise Hermelin, Mauswiesel, Feldhase und Baummarder – alles gefährdete Arten – auf der Liste der bejagbaren Arten. Der Nabu fordert nun, dass der 48 Arten umfassende Katalog des Bundesjagdgesetzes auf zwölf Tiere beschränkt wird.
Dabei sehen die Naturschützer, anders als radikale Tierrechtsorganisationen, durchaus die Notwendigkeit zur Jagd. Allerdings dürfe sie nicht auf eine Trophäenschlacht reduziert werden. „Die Jagd muss sich an der natürlichen Nutzbarkeit des Ökosystems ausrichten“, heißt es in dem Papier. Konkret bedeutet das: Die Wilddichte darf nicht künstlich hochgehalten werden. Fütterung, Anlage von Wildäckern und die Vergabe von Medikamenten sollen künftig verboten werden. Ferner fordert der Nabu ein totales Jagdverbot in Schutzgebieten, ein Verbot der Abrichtung von Jagdhunden an lebenden Enten, die Abschaffung der Jagd mit Greifvögeln und eine Verschärfung der Jägerprüfung. Wer in Deutschland einmal einen Jagdschein erworben hat, kann diesen bislang nur verlieren, wenn ihm Missbrauch oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann. Nach den Plänen des Nabu sollen Jäger künftig alle drei Jahre eine Schießprüfung ablegen. Außerdem sollen die staatlichen Jagdkontrolleure besser geschult werden.
Ziel der Jagd sei die Erhaltung des Ökosystems Wald, so die Autoren des Papiers weiter. Ein ökologischer Wald müsse sich aber selber verjüngen. Dazu sei es aber erforderlich, den Wildbestand durch Jagd zu reduzieren. Diese solle aber so schonend wie möglich erfolgen. Die Naturschützer wollen daher Jagdzeiten verkürzen, bleihaltige Munition verbieten und für kurze Distanzen nur noch Schrotschüsse auf Rehe erlauben – diese wären unmittelbar tötend und würden die Gefahr minimieren, dass Tiere verletzt überleben.
Nicht gejagt werden sollen Raubtiere und -vögel, die natürlichen Konkurrenten der traditionellen Jägerschaft. Bis jetzt sieht es anders aus: Wiesel, Dachs und Iltis würden gejagt, um den Bestand an kleineren Beutetieren künstlich hochzuhalten und so den eigenen Jagderfolg zu sichern, heißt es in dem Papier.
Michael Hug, bekennender Jäger und Mitarbeiter des Nabu in Stuttgart, sieht die Bundesregierung in der Pflicht: „Wir erwarten, dass ein Gesetz, das in seinen Grundzügen seit 1934 besteht, endlich nach wildökologischen Erkenntnissen erneuert wird.“
Der Chef des Deutschen Jagdschutzverbandes, der ehemalige Bauernpräsident Constantin Freiherr von Heeremann, scheint genau dies zu befürchten. „Offenbar wittern die Feinde der Jagd Morgenluft, seitdem die Grünen das Landwirtschaftsministerium übernommen haben“, erklärte er zum Amtsantritt von Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne).
Der Lobbyist der Jägerschaft kann sich beruhigen. In dieser Legislaturperiode wird das Jagdgesetz nicht mehr novelliert, erklärte eine Sprecherin der Ministerin. Allerdings seien die Schonzeiten für einige Wildtauben verlängert worden.
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