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Abwarten und aus der Platte gucken

Die städtischen Wohnbaugesellschaften stehen mit 10 Milliarden Euro in der Kreide. Abgeordnete fordern neue Strukturen für sie. Ein weiträumiger Abriss kommt für Bausenator Strieder trotz hohen Leerstands nicht in Frage

Peter Strieder, ohnehin schon als SPD-Chef in der Kritik, hat jetzt auch als Stadtentwicklungssenator ein Problem: 10 Milliarden Euro Schulden stehen in den Büchern der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, wie aus ihrem jüngsten Geschäftsbericht hervorgeht. Abgeordnete sehen Parallelen zur Bankgesellschaft. Der Wohnungsunternehmer-Verband bezeichnete es dagegen als unseriös, nur die Schulden zu betrachten. Er verwies auf 16,3 Milliarden Euro Eigenkapital.

Die Rückzahlung der Schulden ist dem Senat zufolge langfristig fällig und nicht drängend. Die Situation sei somit derzeit anders als bei der Bankgesellschaft, wo ohne die jüngst beschlossene Risikoabschirmung ein Konkurs vor der Tür stand, sagte Grünen-Finanzexperte Jochen Esser. „Hier ist das noch vermeidbar.“ Er forderte eine Restrukturierung: „Die wirkliche Katastrophe sind nicht die Schulden, sondern die wachsenden Verluste.“ Allein 2000 machten die 17 Unternehmen zusammen fast eine halbe Milliarde Euro Miese. Die Kosten müssten runter, die Mieten dürften aber nicht rauf. Er sprach sich für weniger Personal aus – wieso müsse etwa jedes Unternehmen eine eigene Mietabrechnung haben?

Der CDU-Abgeordnete Alexander Kaczmarek will straffere Strukturen über eine Holding erreichen. Esser drängt auf eine Umstrukturierung, ist aber aus Wettbewerbsgründen gegen eine Dachgesellschaft. Er fordert 3 oder 4 Unternehmen statt der derzeit 17, „damit man auch noch vergleichen kann“. Der Abgeordnete Fritz Niedergesäß (CDU) lehnt eine Holding als „kombinatsähnliche Struktur“ ab.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hält das Problem für hausgemacht: „Die Wohnungsbaugesellschaften wären in einer ganz anderen Lage, wenn das Land nicht den Markt mit Wohnungen verdorben hätte, die heute niemand braucht.“ Ansonsten verwies seine Verwaltung Nachfragen an Bausenator Strieder.

Dessen Sprecherin Petra Reetz bestätigte, was auch Parlamentarier sagten: „Ein ernstes Problem.“ An den Schulden sei höchstens mit Bundeshilfe etwas zu machen. Entscheidend sei die Leerstandsquote: Im Schnitt ist jede zehnte der fast 400.000 Wohnungen nicht vermietet. Dabei fallen nicht nur Einnahmen aus: Auch für eine leere Wohnung laufen die Betriebskosten.

Weiträumige Abrissaktionen soll es laut Reetz jedoch nicht geben, damit das Land weiter den Wohnungsmarkt beeinflussen kann. Nur in Marzahn sollen Plattenbauten mit über 20 Geschossen fallen. Auch ein Verkauf wird als wenig sinnvoll betrachtet. Bei der derzeit schlechten Marktlage würde man Unternehmen verschleudern, die sich später vielleicht deutlich besser verkaufen ließen, sagte Reetz. CDU-Mann Niedergesäß widersprach: „In zehn Jahren kriegen wir noch viel weniger dafür.“ Er will eine vernünftige Mischung zwischen Sanierung und Abriss. Das Land sollte nur rund 200.000 Wohnungen behalten.

Strieders Verwaltung will nun „genau unter die Lupe nehmen“, wie das jeweilige Management arbeitet. Sprecherin Reetz musste dabei einräumen, dass sich diese Frage nicht erst seit gestern stellt. STEFAN ALBERTI

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