: Endlagerung ist billiger als Wiederaufarbeitung
Europaparlament befasst sich mit Kosten, Alternativen und Sicherheit der atomaren Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Sellafield
BRÜSSEL taz ■ Der britische Premierminister Blair bekommt dieser Tage viel Post aus Irland. „Tony, sieh mir in die Augen und sag mir, dass ich sicher bin, wenn in Sellafield ein Störfall passiert“, steht auf der Postkarte, die ein großes grünes Auge ziert. An Ständen der Anti-Atom-Bewegung geht sie in irischen Städten weg wie warme Semmeln.
In einer Anhörung im Europäischen Parlament in Brüssel betonten gestern Vertreter der Betreiberfirma, es gebe keine Beweise für gesundheitsschädliche radioaktive Strahlung aus der südenglischen Wiederaufarbeitungsanlage. Die irische Grüne Nula Ahern stellte anschließend aber befriedigt fest: „Ich war schon bei vielen Anhörungen. Die Nuklearindustrie führt zunehmend Rückzugsgefechte. Für diese tote Technologie gibt es bald ein Begräbnis erster Klasse.“
Das Europäische Parlament hat beim Wise-Institut in Paris eine Studie über Auswirkungen, Kosten und Alternativen der Wiederaufarbeitung in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse decken sich mit Aherns Einschätzung: Endlagerung ist billiger als Wiederaufarbeitung. Wiederaufarbeitung ist die größte vom Menschen erzeugte Quelle von Radioaktivität in der Umwelt. Allein die Belastung mit Jod 129 aus Sellafield und La Hague war 1999 achtmal größer als aus sämtlichen Atomtests zusammen.
Das wird auch den Nachbarn von Sellafield zunehmend bewusst. Im norwegischen Bergen wurde vor kurzem mit einem Fackelzug gegen die erhöhte radioaktive Belastung von Hummern protestiert. Irland erwägt eine Klage beim EuGH, weil die radioaktive Belastung beliebter irischer Buttermarken den Export beeinträchtigt. Nach Überzeugung der Autoren der Wise-Studie müsste zusätzlich zu geschädigten Mitgliedsstaaten die EU-Kommission tätig werden. Sie habe eine Vorsorgepflicht gegenüber den Bürgern. Außerdem verlange die aus Artikel 37 des Euratom-Vertrags abgeleitete Richtlinie von 1996 Mindestsicherheitsstandards für Atomanlagen, die weder Sellafield noch La Hague erfüllen. Die deutsche Grüne Hiltrud Breyer war nach der Anhörung wenig optimistisch, die Kommission zum Handeln bewegen zu können. Im Brüsseler Beamtenapparat, so Breyer, sei das Thema Kernkraft tabu. Nur der Rat der Staats- und Regierungschefs könne durch EU-weite Regeln ein Umdenken bewirken. Schließlich haben Belgien und Deutschland, die früher ebenfalls auf Wiederaufbereitung setzten, ihren Kurs inzwischen geändert. DANIELA WEINGÄRTNER
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