: Ein Kraftwerk mit fragwürdigem Potenzial
Ab 2004 soll ein Holz- und Gaskraftwerk in Neukölln-Rudow 20.000 Wohnungen mit Wärme versorgen. Doch die Anlage eignet sich auch zur Verbrennung von belastetem Material. Dessen Verbrennung könnte sich bald rechnen
Das Energieunternehmen Harpen EKT Berlin GmbH, eine Tochter von RWE, will in Neukölln-Rudow ein Holz- und Gaskraftwerk errichten. Mehr als 200.000 Tonnen Holz sollen dort jährlich ab Mai 2004 verbrannt werden und 20.000 Wohnungen in Gropiusstadt mit Wärme versorgen. Durch Kraft-Wärme-Kopplung will Harpen außerdem 20 Megawatt Strom ins Netz einspeisen.
In der Kritik steht insbesondere die Informationspolitik des Betreibers. „Auf wesentliche Fragen hat das Neuköllner Bezirksamt bisher keine Antworten erhalten“, kritisiert Umweltstadtrat Michael Freiberg (CDU). Fragen zum Verkehrsaufkommen, zur Lärmbelästigung, zu Brandgefahren bei der Lagerung und zu wassergefährdenden Stoffen im Holz – die Liste ließe sich fortsetzen. Der Bauantrag wurde gestern veröffentlicht, damit ist die Bürgerbeteiligung eingeleitet.
Im Grundsatz stehen die politisch Betroffenen dem Projekt positiv gegenüber. Denn dieses Holzkraftwerk arbeitet sauberer als das jetzige Bewag-Kohlekraftwerk. Zudem ist Holz ein nachwachsender Rohstoff, das Verbrennen ist wesentlich weniger umweltbelastend als bei fossilen Brennstoffen.
Dass das Kraftwerk umstritten ist, liegt auch daran, dass Harpen theoretisch in wenigen Jahren die Holzverfeuerung einstellen könnte, um heizwertreiche Brennstoffe, die sich unter anderem im Hausmüll befinden, zu verbrennen. Denn die Umgebung bietet nicht genug Holz. Das räumt auch der Investor ein. Marcus Süßmann von Harpen befürchtet einen „Konkurrenzkampf um den Brennstoff. Ich verspreche aber, dass wir nur die Verbrennung von Holz planen“, sagt er und verweist darauf, dass sich die Verbrennung heizwertreicher Brennstoffe nicht lohne. Doch das wird sich 2005 ändern, dann dürfen Abfälle nicht mehr unbehandelt abgelagert werden. Seine „Verwertung“ wäre ein lohnendes Geschäft.
Die Anlage könnte – technisch gesehen – nicht nur hoch belastetes Holz, sondern auch anderen Sondermüll verbrennen. Denn sie erfüllt die maßgebliche 17. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz. Die dort festgelegten Grenzwerte lassen sich nur mit Hilfe einer sehr teuren Rauchgasreinigungsanlage erreichen. Wozu also der Einbau?
Harpen könnte mit der Holzverbrennung ein Vergütung von 8,7 Cent pro produzierte Kilowattstunde Strom einstreichen. „Es zeichnet sich ab, dass viel hoch belastetes Holz verbrannt wird, denn mit dessen Abnahme arbeitet die Anlage am wirtschaftlichsten“, so Michael Dahlhaus, Experte für Abfall beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Er ist jedoch kein grundsätzlicher Gegner einer Verbrennung belasteten Holzes.
Darüber hinaus ist die Anlage technisch aber auch dafür vorbereitet, andere Abfälle zu verbrennen. Harpen müsse nur auf unkomplizierte Weise eine neue Betriebsgenehmigung einholen.
TILMAN VON ROHDEN
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