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Italien für Ökologen

Ligurien: Selbstversorgerdorf geplant. Genossenschaft will die Neustrukturierung Bajardos mit 30 Millionen Euro gewährleisten. Zeichnungsfrist dauert drei Jahre. Mindestanlage 5.000 Euro

Ein kleines Dorf in der norditalienischen Region Ligurien soll zum Modellprojekt für die vom ökologischen Zerfall bedrohten Seealpen werden. Bajardo heißt die 350 Einwohner zählende Gemeinde in der Provinz Imperia. Das in 900 Meter Höhe gelegene Bergdorf hat unter Perspektivlosigkeit, Landflucht und damit auch Überalterung zu leiden. Im Oktober 1999 beschloss die Bürgermeisterin Gabriella Rosafio, Bajardo aus der Lethargie herauszureißen: Eine Genossenschaft soll den geplanten Wiederaufbau und die Neustrukturierung Bajardos mit einem geschätzten Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro gewährleisten. Unternehmen und neue Bürger sollen sich dort ansiedeln. Auswirkungen auf den historischen Dorfcharakter soll die Entwicklung jedoch nicht haben. „Das Verhältnis von Einheimischen und neuen Bewohnern soll sich die Waage halten“, erklärt Christine Schmidmayr von der Münchener Bioliguria Umwelt & Leben, dem für die Vermarktung zuständigen Unternehmen.

Die Münchener Unternehmerin Beate Baumm und der italienische Architekt Edmund Schmitz gründeten 2001 die Bajardo-Bioliguria mit Sitz in Bajardo. Das Dorf soll zum unabhängigen Selbstversorger werden. Energie durch Wind- und Sonnenkraft, Entsorgung durch eine biologische Kläranlage und Trinkwasser aus eigener Quellen. Bis die Anlagen zur Energieversorgung fertig gestellt sind, wird Bajardo von Amaie aus San Remo (Italien) mit Strom aus einer Wasserkraftanlage beliefert. Bürgermeisterin Rosafio beschreibt das Vorhaben als „integrierte Entwicklung unter Einbeziehung der natürlichen Ressourcen“, finanziert durch Immobilienverkauf, Beteiligung von Investoren und einen Kredit bei der Banca Cariga SPA Genova-Imperia in Höhe von 21 Millionen Euro. Das Geldinstitut verlangt 4,5 Prozent Zinsen bei einer Laufzeit von drei Jahren. Die Ablösung des Kredits soll nach dem Verkauf der Wohnungen erfolgen.

Das Grundkapital von 9 Millionen Euro soll zur Hälfte aus Beteiligungen kommen, die Gesellschaft ein Eigenkapital von mindestens 4,5 Millionen Euro einbringen. Eine Namensaktie (Anteil) entspreche einem Wert von 500 Euro, die Mindesteinlage beträgt zehn Aktien, also 5.000 Euro. Laut Bioliguria beginnt jetzt die Zeichnungsfrist und dauert drei Jahre. Eine Überzeichnung werde es nicht geben. Alle vier Jahre sei eine Kapitalerhöhung auf Grundlage der Neubewertung der Immobilien geplant. „In der Region Ligurien steigt der Immobilienwert jährlich um 3 Prozent. Das soll auf die Aktien umgelegt werden“, erklärt Schmidmayr. Die Beteiligung müsse in drei Raten gezahlt werden. Bei Unterschrift des Zeichnungsscheines 30 Prozent, weitere 30 Prozent bei Rohbaufertigstellung und 40 Prozent nach Schlüsselübergabe. Wer Gesellschaftsanteile erwerbe, werde Stammaktionär und besitze Stimmrecht. Entscheide ein Investor sich für den Erwerb einer Wohnungsimmobilie, sei er Vorzugsaktionär und werde bei der Gewinnverteilung zuerst berücksichtigt.

Die italienischen Gesetze sehen vor, dass Stammaktionären maximal 2 Prozentpunkte mehr als den Vorzugsaktionären ausgeschüttet werden können. „Eine Ausschüttung wird es aber während des geplanten Bauzeitraums bis 2004 nicht geben“, so das Unternehmen. Eine Dividende von 7 Prozent für Vorzugsaktionäre und 9 Prozent für Stammaktionäre sei ab 2005 geplant. Die Ausschüttungen sollen bis 2014 von der Quellensteuer befreit sein, da die Ausschüttungen bereits nach italienischem Recht besteuert würden. Die Kapitalbindung beträgt 10 Jahre. Während dieser Laufzeit kann eine Beteiligung an einen Rechtsnachfolger abgetreten werden. Nach Ablauf der Frist kann die Immobilie mit der Einlagesumme anteilig erworben oder weiterverkauft werden. Die Bioliguria bietet sowohl Häuser als auch Wohnungen an. Bei Größe und Zuschnitt einer Immobilie will die Gesellschaft auf die Wünsche jedes Investors eingehen. „Die Quadratmeterpreise betragen je nach Lage 1.500 bis 2.050 Euro“, erklärt Baumm.

Die Anfang Mai beginnenden Baumaßnahmen sollen unter Kriterien der Nachhaltigkeit durchgeführt werden. „Regionale Firmen werden bevorzugt, sofern sie die geforderten Ansprüche erfüllen können. So soll zum Beispiel nur unbehandeltes Holz verwendet werden“, sagt Schmidmayr. Auch die regionale Wirtschaft werde einen Schub erhalten. Die Bioliguria plant den Bau von insgesamt 400 Wohnungen und einem Hotel mit 20 Zimmern und 15 Appartements. „Ein Unternehmen, das Luftschiffe für Luftbilderstellung und Werbeeinsätze entwickelt, konstruiert und baut, wird sich vor Ort ansiedeln“, so Schmidmayr. Außerdem sollen eine Musikschule, ein Kinderladen, eine „Bajardo Mode Summerschool“, ein Museumsshop und eine Grünanlage entstehen. „Sanfter Tourismus“ ist das Motto, unter dem das Dorf sich weiterentwickeln möchte. Nach Angaben der Bioliguria plant man eine „ökokompatible Infrastruktur“ mit Elektroautos und Wanderwegen. Weiteres Projekt ist die Ernte und Verarbeitung von Waldfrüchten.

MARKUS FUHRMEISTER/ ECOREPORTER.DE

Bioliguria Umwelt & Leben, Büro München, Olgastraße 9, 80636 München, Tel. (0 89) 12 11 68-0, Fax -29

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